Im Kanu auf dem Yukon

Von den Quellseen bis zur Beringsee

Archive for ‘Juli, 2014’

Blutige Nase und/oder weise Entscheidung?

Ende, Das wars. Ich beende den Trip in Fort Yukon.

Ich höre auf mein Gefühl und auch die Vernunft. Ich versuche das Geschehene mal chronologisch aufzubauen, ab dem Tag nach dem Finale.

Montag
Am nächsten Tag ist es immer noch stürmisch. Aber wir fassen den Plan, in Thomas Kajak zu zweit gegen die Strömung zurück nach Fort Yukon zu paddeln. An Thomas Zelt sind nämlich mittlerweile alle Zipper der Reißverschlüsse komplett hinüber, ein absolutes Unding auf so einer Tour.
Das wird ein absoluter Höllenritt. Wir steigen um ca. 6 Uhr morgens ein und fahren am kabbeligen Wasser von gestern vorbei, einen Arm des Porcupine hinauf weil da die Strömung nicht ganz so stark zu sein scheint. Es ist unglaubich anstrengend. Wann ist denn diese Insel vorbei? Fragen wir uns. Da tut sich ein Kanal auf, aber da strömt auch das Wasser gegen uns. Es wird sehr flach und wir laufen auf, müssen das Boot ziehen. Schließlich geht es wieder, sehen das „Festland“ von weitem und legen uns noch einmal ins Zeug. Nach 2 Stunden erreichen wir völlig erschöpft eine anlegestelle mit Straßenanbindung nach Fort Yukon. Nach kurzem Fußmarsch kommen wir am Flughafen vorbei und erkundigen uns nach Flügen nach Fairbanks, aber man rät uns, besser jemanden Bekannten in Fairbanks das neue Zelt in ein Flugzeug nach Fort Yukon zu legen, das ist wesentlich günstiger.
Plötzlich kommt mit Hannah eine Freundin von Ginny aus dem BnB rein und holt ein Päckchen ab. Sie nimmt uns mit zu Ginnys BnB. Ginnys Sohn Sam wohnt in Fairbanks und besorgt uns Zelte (ich nutze die Chance und besorge mir ein Ersatzzelt, weil meine Zipper absehbar den Geist aufgeben werden), derweil finde ich meine GoPro unter dem Bett von gestern wieder. Schließlich haben wir eine lange Pause, weil die Zelte erst abends um 19 Uhr da sein werden. Wir erledigen ein paar Einkäufe und ich beantworte die Email von der SPOT Gesellschaft, die nicht besonders hilfreich war. Birgit sagt mir, dass die OK Nachricht von gestern auch nicht angekommen ist. Zum Kotzen. Zurück bei Ginny sinnieren wir über den Wetterbericht, der den gleichen Wind für die nächsten 5 Tage ansagt. Fressen die Flats jetzt meine Pufferzeit für das eigentliche Ende der Tour auf? Noch mehr solche Momente wir kurz nach dem Finale brauche ich nicht, das war eindeutig die Grenze für mich und die Freiherz. Ich kann nur „Aussitzen, bis besseres Wetter da ist“. Auch unsere kleine Gemeinschaft scheint kurz vor der Auflösung, weil ich so natürlich für Thomas eine Bremse bin, was ich nicht sein will. Wir sinnieren ein Weilchen, entschließen uns aber doch, bis zum Dalton-Highway gemeinsam zu paddeln. Noch 280km. Am Abend paddeln wir durch den Wind zurück und fallen unglaublich müde in unsere Schlafsäcke. Im Kajak geht das alles eindeutig besser.

Dienstag
Es bleibt so windig. Dafür wird gerade das Fischnetz kontrolliert, das an unserer Insel festgemacht war. Von den drei Fischern bekommen wir einen großen Weißfisch, den wir sofort braten und verschlingen. Wenigstens ein paar schöne Momente zwischendurch, so wie auch gestern beim Abendbrot so gegen 23 Uhr: Ein kleiner Fuchs kommt aus dem Wäldchen fast direkt auf uns zu. Er bemerkt uns nicht, trabte aber schon bald aus dem Blickfeld. Wo ist die Kamera??? Zu spät…

Mittwoch
Die Lage ist unverändert.

Donnerstag
Der Wind bläst weiter. Irgendwie scheint der Fluss zu sagen: „Nicht dieses Jahr, Bernd; nicht im solo-gepaddelten Tandem-Kanadier“. Wo ist die Grenze zwischen weiser Entscheidung und verfrühtem Beenden? Selbst wenn der Wind nachlässt – und mein Gefühl sagt mir, dass er das nicht wird, sind es so noch mit meinem Gefährt und der Wetterlage für mich 5-6 Tage bis zur Brücke am Dalton Highway. Wieviel Puffer-Zeit habe ich dann insgesamt noch? Ich schaue mir die Strecke auf der Karte an und mir dräut, dass der Wind auf diesem Teil extrem weite Flächen und gerade Strecken hat, Wellen aufzubauen (von wegen „Flats“…). Das wird so schnell nicht besser werden. Welchen Preis bezahle ich für das Erreichen des Dalton Highways, welches Risiko gehe ich dabei ein, wie fühle ich mich im Boot, wo war die Grenze mit Wind und Wellen? Lasse ich mich zu sehr von meiner aktuell miesen Laune beeinflussen? So viel Kampf für diese Tour und dann das Ziel nicht erreichen? Ist es so schlimm, die Grenze zu akzeptieren, dafür aber einen Grund zu haben, wieder zu kommen und die Tour gemeinsam mit dem Fluß – nicht gegen ihn – zu beenden?

Gefühlsentscheidung
Ich überlege noch einmal, denke an den Beginn der Tour – Wind – und höre auf dieses Gefühl, dass mir der Fluss zu sagen scheint, dass es dieses Jahr nichts wird. Das Fischerboot von vor 2 Tagen kommt zufällig vorbei, ich winke es heran. Sie nehmen mich mit nach Fort Yukon, gegen ein wenig Spritgeld. Ich fühle mich erleichtert und mies zugleich. Thomas wollte ohnehin am nächsten Tag notfalls auch allein aufbrechen, er bleibt auf der Insel, kommt nicht mit; ich lasse ihm noch meinen Bezinkanister, Brot und Wasser da, gebe ihm noch die Sectional Aeronautical Map von den Flats, und dann geht alles ganz schnell. Ich wünsche ihm alles Gute und dass er im Wind weise Entscheidungen trifft.

Warum höre ich auf dieses Gefühl?
Das wird niemanden überraschen, dass dies meine bisher extremste Tour war. Aber auf dieses „lass es besser“-Gefühl konnte ich mich auch auf den bisherigen Touren immer verlassen. Es hat mich davon Abgehalten, Unsinn anzustellen. Manchmal geht es einfach nicht. Besser ich komme mit den Erfahrungen eine Tages weiser wieder.

Weltmeister…

Weltmeister…

Deutschland ist Fußball-Weltmeister.
Unser Plan ist aufgegangen, das Haltmachen in Fort Yukon war in allen Belangen ein voller Erfolg.
Nicht nur, dass wir uns über die Panik-Reiseberichte über das Dorf mit 519 Einwohnern hinweggesetzt haben und unglaublich freundich und hilfsbereit empfangen wurden. Nein, auch Jogis Jungs habe es endlich geschafft. Und wir, wie man meinen sollte fernab jeglicher Zivilisation, waren beim Zitterendspiel dabei. Mit Miro Klose geht der Älteste Spieler in der 88. Minute vom Platz, und mit Mario Götze kommt der jüngste Spieler und entscheidet das Spiel ungefähr eine halbe Stunde später.
Fast schon eine Generationenübergabe.

Für uns heißt es nach dem Spiel Aufbruch. Allerdings sagen die Wetterberichte starken Wind aus Südwest an – für mehrere Tage – und es soll Regnen. Die Betreiberen des BnB sagt, dass es in Fort Yukon eigentlich nur 4 mal im Jahr Wind gäbe, aber dieses jahr sei alles anders. Es habe auch sehr viel Regen gegeben, so dass der Yukon in den Flats besonders viel Wasser habe und das bedeuten würde, dass viele inseln nicht zu sehen seien, das Wasser aber nur ganz seicht über diese hinweggflösse.
Dennoch sind wir frohen Mutes, werden aber nach 6 km eines besseren belehrt. An den Einmündungen des Porcupine Rivers (und von denen gibt es viele) bläst der Wind genau gegen die Strömung. Zusätzlich vereinigen sich hier die Wassermassen von Porcupine und Yukon. Unglaublich kabbeliges Wasser entsteht. Mit teilweise 1 Meter hohen Wellenbergen. Die Freiherz und ich meistern das, aber allein wäre ich schon längst vom Wasser runter. Die Strömung treibt mich auch trotz des Gegenwindes sehr schnell voran – genau in die übelsten Stellen. So richtig wehren kann ich mich nicht dagegen, denn wenn ich davor wegpaddeln wollte, würde ich eben diese Wellen von der Seite zu spären bekommen und damit eine Kenterung riskieren.
So heißt es einfach nur „aushalten, bis zur nächsten ruhigen Stelle und dann an Land“. Thomas hingegen kann mit seinem Kajak den kabbeligsten Stellen aus dem Weg gehen. Ich fange an mich zu fragen, warum ich denn unbedingt im offenen Solo-Kanadier die Tour machen wollte, Aber das bringt ja jetzt auch nix. An einer Sandbak-Insel landen wir an und bauen unsere Zelte halbwegs windgeschützt hinter ein paar Weidenbüschen auf. Der Wind treibt Sand über die Insel, man kann schlecht sehen. Es ist der 4te bzw. der 3 1/2te tag in den Flats und wir haben erst etwas mehr als ein Viertel geschafft. Ich fange an zu zweifeln, ob ich tatsächlich im Delta ankomme oder ob ich unterwegs die Reißleine werde zieheh müssen, weil die Zeit einfach nicht mehr reicht.
Zu allem Überfluss gibt je ein Zipper vom Außen- und Innenzelt seinen Geist auf. Das Außenzelt hat 4, das Innenzelt aber nur 2. Ich könnte kotzen. Und mir fällt auf, dass ich die GoPro in Fort Yukon vergessen haben muss. Ich kann sie nirgends finden. Zum Heulen. Jogis Jungs haben wohl alles Glück des Tages verbraucht. Es passt jedenfalls zu gestern, als ich Birgit mit einem Anruf überraschen wollte, aber danach nur schlechte Laune un ein hilfloses Gefühl hatte: Der SPOT-Messenger hat schon seit drei Tagen keine OK-Nachrichten mehr an Birgit übermittelt, sie machte sich große Sorgen und ist heilfroh mich zu hören. Was nützt mir der Messenger, wenn ich man sich nicht drauf verlassen kann? Noch am Anfang des Finales schaffe ich es, eine Email an die SPOT-Gesellschaft zu schreiben, mit Birgit in Kopie. Auch den vorgefassten Bericht von Carmacks bis Dawson kann ich noch hochladen.

Ich verteibe mir die Zeit mit dem Schreiben der Einträge für den Blog, ein weiterer Zipper des Außenzeltes macht die Biege…

Die Yukon Flats – bis Fort Yukon

Nach Cirlce ist die Strömung doch noch so stark, dass man nicht den Eindruck hat, sich tatsächlich verpaddeln zu können, „Folgt der Hauptströmung“ war der Tipp. Leuchtet ja auch ein, wenn man die erkennen kann. Momentan geht das noch relativ einfach.
Auf einer schönen Insel machen wir das Camp und schlagen uns den Wanst voll. Wind und Regen bringt der 2te (bzw. der 1 1/2te) Tag in den Flats. Wir kommen nicht so weit, weil wir irgendwann völlig durchnässt sind und keine Lust mehr haben. Fort Yukon ist für den kommenden Tag geplant, die Idee, dort evtl. das Finale gucken zu könen überkommt uns. Mal sehen…
Überall wird vor Fort Yukon gewarnt, Alkohol sei dort ein Riesenproblem. Wir legen an und erkundigen uns daher nach einem Bed-and-Breakfast (BnB). Dort versichert man uns, am nächsten Tag das WM-Finale sehen zu können. Von „it is a rough town“ keine Spur, obwohl ich mir vorstellen kann, dass man hier auch an den falschen geraten kann. Wir bleiben im BnB und warten auf das Finale.

Dawson-Circle

In Dawson hatte ich noch Thomas wieder getroffen, den wir schon in Fort Selkirk kennengelernt hatten. Thomas hat das gleiche Ziel wie ich. Wir hatten überlegt, gemeinsam durch die Yukon Flats zu fahren. Die Yukon Flats sind eine ca. 400 km langer Abschnitt des Yukons, in dem sich der Fluß in unzählige Seitenarme und Sackgassen aufspaltet, Sand- und Kiesinseln liegen versteckt unter dem Wasser – die Navigation ist einfach schwierig.
Man kann sich schnell verirren, so dass wir uns denken, dass es zu zweit besser ist. Er ist allerdings schon am Mittwoch in seinem Kajak aus Dawson los und wir wollten sehen, dass wir uns in Circle treffen. Er allein im 2er Kajak, dass er allein fährt mit 2 Tagen Vorsprung…?

Wie auch immer, am Freitag schaffe ich, auch um die ich-vermisse-Birgit-Gedanken zu vertreiben, satte 80 km und übernachte am 40-Mile Camp. Auch eine ehemalige Hochburg wie Fort Selkirk, die jetzt verlassen ist. Der Campingplatz für Paddler ist aber 2,5 km entfernt, an der Einmündung der 40 Mile Rivers und so kann ich erst nach dem dritten Anlanden das Lager aufschlagen. Ich falle todmüde auf meine Isomatte. Der nächste Tag bringt sengenden Sonenschein und weitere 80km – ich erreiche Eagle und checke per Telefon in die USA ein (s. früherer Blog-Eintrag), gönne mir eine Nacht im BnB um Akkus aufzuladen und zu duschen, Blog-Einträge zu schreiben.
Auch der Tag nach Eagle bringt 80 km, ich möchte mein Camp an einer „Public Use Cabin“ aufschlagen (das sind von den Rangern des Yukon-Charley-River-Nationalpark unterhaltene Schutzhütten), sie ist allerdings komplett mit Mücken verseucht, auch in der Umgebung findet sich kein ordentlicher Zeltplatz; ich paddle auf die gegenüber liegende Insel und schlage dort mein Zelt auf. Es ist zwar schon 23.30 Uhr, aber ich fühle mich unglaublich frei. Wow, das ist Paddeln.

Aufgebockt
Kurz vor dieser Public Use Cabin möchte ich mein Schuhwerk von Teva-Sandalen auf Gummistiefel wechseln uns fange an, im Boot rumzuhampeln. Wie immer, wenn man das das sicher geglaubte Ziel aus den Augen verliert, weil „es ja jetzt von alleine geht“, passiert mir ein schwerer, aber glücklicherweise folgenloser Fehler: Ich übersehe einen im Wasser liegenden Baumstamm, dessen Äste aus dem Wasser ragen. Ich erkenne noch, dass ich zuwenig Augenmerk aufs Wasser gelegt habe und entscheide mich in der aufkommenden Hektik für die falsche Seite, schaffe es nicht mehr, drumherum zu fahren.
Es knirscht umd rumpelt und schon sitze ich quer zur Strömung aug einem Ast fest. 7 Meter vom Ufer weg und kann mich nicht mehr bewegen. Schön blöd. Ich befestige wieder alle Survival-Utensilien an der Schwimmweste, teste die Wassertiefe mit dem Paddel. Zur Not könnte ich raushüpfen und das Boot ziehen, kann aber nicht einschätzen, wie die Strömung sich auswirkt. Die hat mich schließlich auf den Baum geschoben…
Ich versuche, mit dem Paddel das Boot am Stamm entlang zu schieben. Noch vorn: nichts passiert. nach hinten – klappt. Ich kann mich lösen und komme so am Landeplatz der Cabin an. Schön blöd, aber nichts passiert.

Nachtfahrt
Der zweite komplette Tag in Alaska verläuft allerdings nicht ganz so gut – ich werde nach bereits 30km nach einer Kurve (heute war ansatzweise Rückenwind) vom plötzlichen Windwechsel überrascht. Der Wind baut sich auf und große Wellen entstehen, ich komme nur im Schneckentempo voran. Ich versuche meine Wartetaktik, esse etwas, aber nach 1 1/2 Stunden tut sich noch nix. Es dräut sogar ein Gewitter. Ich setze das Boot wieder ein und hoffe, ein besseres Plätzchen zum Warten zu finden.
Im Schneckentempo krieche ich den Fluß runter, nach ca. 1 Stunde und gefühlten 200 Metern erreiche ich eine geschützte Bucht. Ich baue das Zelt auf und esse noch etwas, lege mich hin und schlafe, hoffe auf die Nacht. Schließlich flaut der Wind ab. Ich beschließe, tatsächlich einmal durch die Nacht zu fahren – zwar habe ich den Eindruck, dass mich eine Nebelbank konstant verfolgt, teilweise denke ich sogar, dass es ein Gewitter ist, was mein Paddeln beschleunigt. Ich entdecke einen Schwarzbär am Ufer, aber das Licht ist doch zu schwach für ein Foto (und der Schwarzbär will einfach nicht stillhalten). Um 5 Uhr morgens komme ich völlig erschöpft nach weiteren 50 km am Slavens Roadhouse an, auch eine Public Use Cabin, allerdings in ganz großem Stil: Mehrere Pritschen, Küche, usw. Im Hinterland liegt die Coal Creek Dredge, ein sehr gut erhaltener Goldbagger. Um 6 Uhr morgens liege ich endlich im Schlafsack.

Nach dem Aufwachen mache ich erst einmal etwas Pause, esse und sehe mich um. Die Sonne brennt. Als ich mal zufällig auf den Fluß runterschaue, entdecke ich ein Kajak – ist das Thomas? Habe ich ihn tatsächlich überholt??? Ja er ist es. Thomas legt an und wir paddeln schon ab hier gemeinsam. Heute allerdings nicht mehr, sondern sehen uns nur noch die Dredge an.

Alaskanische Gelassenheit
In Slavens Roadhouse übernachtet auch Jason aus Fairbanks mit seinem Vater, 2 Söhnen und einem Freund. Er hat die Tour schon mehrmals gemacht, „liebt die Flats“ und rät uns, sich nicht so große Sorgen zu machen. Er ist die Flats auch ohne Karte schon gefahren, „alles kein Problem“. Folgt einfach der Hauptströmung! Das nenne ich mal entspannt. Und wir machen uns solche Sorgen…

Wir wollen nicht über Nacht in Circle bleiben und schlagen das Camp daher kurz vorher auf. Ein Elch läuft hier fast in uns hinein. Als er – und wir – es erkennen, macht er schnell kehrt und verschwindet wieder im Unterholz. So ein Mist, keine Zeit für Fotos. In Circle angekomen, versuche ich , die Blog Einträge zu schreiben und verzettele mich dabei. Keine Blog-Einträge – blöd. Ein paar Telefonate, eine Dusche sowie eine Ladung Wäsche später geht es auch schon weiter in die von uns so gefürchteten Flats hinein.

Die Spielhölle des Nordens und ein schwerer Abschied

In Dawson City angekommen, beziehen wir erst einmal in einer Cabin (Hütte) unser Lager und lüften unsere Klamotten. Wir lassen es ruhig angehen und freuen uns auf die letzten, uns verbleibenden 4 Tage. Wir genießen die erste warme Dusche im Badehaus des Hostels – man muss sich aus kaltem und heißem Wasser das Badewasser selbst mischen und sich dann mit einem Eimer selbst übergießen, finden das aber total klasse.
Abends schlagen wir uns natürlich den Wanst voll. Wir treffen ein österreichisches Pärchen, das sich 2 Jahre Zeit genommen hat um mit dem Fahrrad vom Norden Amerikas in den Süden zu fahren (www.nikiundphillipp.wordpress.com). Auch ein deutsches Filmemacherpärchen trifft ein – gleiches Ziel wie ich aber mit Faltbooten unterwegs. Sie wollen sich gar bis Ende September Zeit lassen – Naja, mehr Erfahrung als ich ich haben die allemal und die Tour ist auch nicht komplett neu für sie. (Walter Steinberg und Sieglinde Fischer, http://www.walter-steinberg.de )

Zufällig ist am nächsten Tag, dem 1. Juli, „Canada Day“ und eine kleine Parade findet statt, Goldwaschmeisterschaften und allerlei andere Buden sind geöffnet. Ein schöner Tag. Am Mittwoch will Birgit unbedingt zu Fuß auf den Midnight Dome – der Berg bzw. Hügel vor Dawson City – und das bringt uns ganz schön ins Schwitzen, aber die Aussicht ist unglaublich schön. Wir beschließen, uns am Donnerstag einmal komplett touristisch zu benehmen und buchen eine Bus-Exkursion entlang des Dempster-Highways in den Tombstone-Nationalpark, gehen am Abend vorher aber einmal noch ins „Diamand Tooth Gerties“, wo noch wie in alten Zeiten CanCan-Girls mit den Rücken wirbeln und jede Menge Geld verzockt wird )Eintrag „Neues aus Dawson“…). Ich versuche mich im BlackJack, muss aber einmal mehr Lehrgeld zahlen. Nachdem es erst gut läuft, ist am Ende alles futsch. Bis auf einen Taler als Andenken.

Schwerer Abschied
Freitag steht an. Wir frühstücken noch einmal gemeinsam, dann packen wir die Sachen. Auf der anderen Flusseite wird das Viertelfinale gegen Frankreich übertragen, aber das sparen wir uns.
Die Tränen stehen uns dauernd in den Augen, denn der Abschied diesmal wird für viel länger sein uns auch viel, viel ungewisser. Langsam kommt auch mein Bammel vor den Flats durch. Wir sind aufgelöst. Schließlich kommt der Augenblick, ich bringe Birgit zu Fähre und blicke ihr noch lange hinterher. Ich kann die Tränen nicht halten, auch jetzt beim Aufschreiben eine Woche später nicht (Wartetag auf der Insel kurz nach Fort Yukon).
Oben beim Hostel nutze ich noch das Fernglas und sehe, wie Birgit die Straße hochläuft. Aber schon kommen 2 Deutsche aus den gegend um Frankfurt zurück, sie wollen auch den Yukon paddeln, aber nur bis zum Dalton Highway. Sie haben sich das Viertelfinale angeschaut und dabei meinen Laptop aufgeladen. Sie wollen auch heute weiter – wir helfen uns noch gegenseitig beim Wiedereinsetzen. Ich paddle allerdings viel früher weg. Bei starkem, böigen Gegenwind. Symptomatisch für den Tag.

Tu mal lieber die Möhrchen und durchgeknallte Paddler

Das Wiedersehen mir Birgit musste erst einmal ordentlich gefeiert werden;  Details bleiben an dieser Stelle aber unveröffentlicht.
Am nächsten Tag (23. Juni) erledigten wir noch schnell ein paar Einkäufe bevor wir vom Huskybus („Linienbus“ zwischen Whitehorse und Dawson City) in Carmacks abgesetzt wurden.
Losfahren wollten wir aber erst am 24., nicht gleich hetzen (und ich musste ja noch etwas in den Blog schreiben… ;-)).

Stromschnellen
Sofort erwarteten uns 2 Höhepunkte der Strecke bis Dawson City: 2 Stromschnellen. Zuerst die berühmt-berüchtigten
„Five Finger Rapids“, kurz danach schon die „Rink Rapids“. Für Paddler ist an beiden Stellen klar, dass man „einfach“ auf der rechten Seite durchpaddelt.
Trotzdem hatten wir mächtig Muffensausen. Bei den Five Finger Rapids teilen 4 riesige Felsungetüme den Fluss in „5 Finger“ – danach bilden sich Wirbel und stehende Wellen, in denen man bei einer Kenterung leicht Boot (und Mann) verlieren kann.
Wir sind mit der schwer beladenen Freiherz auf der rechten Seite „einfach durchgebrettert“. Die Wellen schwappten zwar rein und wir haben viel Wasser aus dem Boot schöpfen müssen aber eigentlich war das alles relativ harmlos. Sagt sich jetzt nachher so einfach…
Auch die Rink Rapids machen vorher ein Mordsgetöse, und man denkt „da ist überall Wildwasser“, aber dann tut sich rechts ein Kanal auf, an dem man am Getöse einfach vorbeischleichen kann. Das Wasser ist nach solchen Stromschnellen immer etwas wehrig, aber es liess sich alles meistern.
Am Ende des Tages wurden wir mit einem versteckt, aber wunderschön gelegenen Campspot belohnt: An der Einmündung des Williams-Creeks mit zerfallenen alten Hütten hatte jemand hate schon eine Bank und Tischchen gezimmert und erleichterte und so das Kochen.

Tu mal lieber die Möhrchen!
Birgit hatte Möhren eingekauft, die natürlich im Laufe der Woche verputzt werden mussten. Und so gab es jeden abend Möhrchen mit Reis, Möhrchen mit Chili, Möhrchen mit Zimt, Möhrchen mit…
Nein, nicht mit Zimt. Und auch nicht jeden abend. Trotzdem musste ich angesichts des Möhrchen-Haufens an Helge Schneiders Klassiker „Tu mal lieber die Möhrchen“ denken.
Zumindest haben wir dann in der Regel ab frühem Nachmittag darüber nachgedacht, welche Beilage denn nun abends die Möhrchen zieren würde.

Das Höllentor
Tag 2 unserer gemeinsamen Reise führte uns vorbei an Minto, einem mittlerweile nicht mehr bewohntem Ort. Hier sahen wir zu ersten mal eine sogenannte „Barge“. Das ist eine Fähre mit extrem wenig Tiefgang, die an dieser Stelle eine auf der anderen Flussseite gelegene Kohlemine versorgte.
Die Dinger fahren sogar gegen die Strömung und verursachen dabei Mordswellen. „So einem Ding wollen wir aber nicht in die Quere kommen“ dachten wir da nur. Später sollten wir tatsächlich noch welchen begegnen – aber wir hielten vorsorglich genügend Abstand. Nach Minto war ein Flussabschnitt zu bewältigen, der als Hell’s Gate bezeichnet wurde.
Viel Tam-Tam, zumindest heute. Unzählige Inseln tuen sich auf einmal auf und teilen den Fluss entsprechend in Abzweige, bei denen man schnell die Übersicht verlieren kann. Auch sind nicht alle dieser Kanälchen ausreichend tief. Irgendwann hat man aber für die großen Schaufelraddampfer auf der linken Seite mit etwas Dynamit einen schon vorhandenen Kanal mit etwas mehr Tiefgang versehen,
so dass die Durchfahrt für uns dann doch sehr einfach war, nachdem wir den Eingang, den „Devil’s Lookout“ passiert hatten.
Das Lager schlugen wir am Abend, nach etwas Regen und Gegenwind, in Fort Selkirk auf. Es ist ein liebevoll restauriertes Dörfchen, das heute Flussfahrern und Wanderern als Campingplatz zur Verfügung steht. Eine freundliche Hausmeisterin steht mit Rat und Tat zur Seite und man kann die alten Hütten sogar betreten. Eine eigenartige Stimmung überkommt uns, als wir das beim Abendspaziergang auch tatsächlich tun.
Die Zeit scheint hier still zu stehen. Das Dorf war ursprünglich eines der wichtigsten Handelszentren am Yukon, verlor aber seine Bedeutung, als die großen Highways fertiggestellt wurden (wie auch Minto).
Als wir draußen noch ein paar Meter weiter gehen, werden wir von einer „Great Grey Owl“ (eine Eule, die genaue Übersetzung habe ich noch nicht) beäugt. Wir sind noch nie so gelangweilt anguckt worden. Als Birgit und ich nach kurzem Blick auf unsere Fotoergebnisse wieder aufschauen, ist sie schon weg. Einfach so, nach einer Sekunde. Kein Geräusch und keine Bewegung mehr auszumachen – wir sind verblüfft.

Durchgeknallte Paddler
Wir hatten die ganze Zeit ja schon überlegt, wann uns den die eilnehmer des Yukon River Quest ein- und überholen würden. Am Morgen des 27. war es dann soweit: Bei meiner Morgentoilette sah ich die ersten Kajaks auf der anderen Flusseite entlangflitzen. „Na dann haben wir heute ja richtig Unterhaltung“, wehlockten wir. Aber es kam alles ganz anders. Ein „Werbebanner“, das frischen Kaffee und Kuchen versprach, lockte uns in einen Nebenarm mit mächtig Gegenwind zu Kirkman Creek.
Dort angekommen, trauten wir unseren Augen nicht: gemähter Rasen und jede Menge wichtige Leute, die uns erst beim Aussteigen helfen wollten, dann aber ein paar Meter wieder zurück schickten, als erkannt wurde, dass wir gar keine Teilnehmer des Quests sind. Hier war nämlich offizielle Pausenstation für alles Teilnehmer (Questies) – 3 Stunden mindestens. Birgit kundschaftete schnell die Lage aus und ergatterte für uns und unser Zelt einen Platz in der ersten Reihe. So throhnten wir fast über den völlig erschöpft eintrudelnden Questies und konnten uns die doch sehr
einfallsreichen Erholungsstratagien bewundern, während wir Kaffee und Kuchen und nachher Rührei mit Pfefferwurst verdrückten. Nur ein Beispiel: 2 kamen einfach rauf, spröhten sich halbherzig mit Mückenmittel ein und wickelten sich dann in eine Plane am Boden ein. Fertig. Aber ja, wenn man die ca. 700km in höchstens 5 Tagen packen will, muss man ja auch paddeln und nicht schlafen…

Ein letztes Bad
„Heute mündet der White River in den Yukon – dann ist der Fluss nur noch eine einzige braune Brühe!“ rief ich Birgit zu. Schnell gönnten wir uns ein letztes Bad im auch so schon nicht mehr klaren Wasser und erlebten anschließend die wohl einfachsten Paddeltage.
Der Fluss weitete sich zwar, und wegen der Sedimente des White River ist er sehr versandet, d.h. sehr flach und Treibholz versperrt häufig den vermeintlich geraden und schnellsten Weg. Dafür
legte er aber enorm an Geschwindigkeit zu. Zudem konnten wir auf den unzähligen Inselchen auch ganz wunderbar zelten – ca. 30km von Dawson City aus ein letztes Mal gemeinsam ;-(. Am 30sten erreichten wir Dason City, DIE Stadt des Goldrausches am Klondike (der bei Dason in den Yukon einmündet), wir legten aber nicht Downtoen an, sondern auf der anderen Flusseite, wo das Dawson City River Hostel ist. Eine Fähre föhrt Tag und Nacht bei Bedarf über den Fluss.

Alaska und die nächsten Einträge

Hallo liebe Leute!

Ich bin schon in Alaska im Dörfchen Eagle und es wird schwieriger mit dem Internet. In Dawson war auch nicht richtig Zeit. Ich hoffe, in Circle bekomme ich irgendetwas hin. Aber der Grenzübergang ist hier recht einfach. Man paddelt den Yukon runter, merkt dabei gar nicht, dass man die Grenze überquert und ruft in Eagle aus einem fix verdrahteten Telefon aus bei der Grenzbehörde an. Keine Fragen nach Waffen oder so…

Birgit wird die Moderation übernehmen, so dass Eure Komentare etwas eher online erscheinen. (Eine Funktion „Kommentare automatisch zulassen“ habe ich bisher noch nicht gefunden, so dass man da immer erst noch sein ok zu geben muss.)