Im Kanu auf dem Yukon

Von den Quellseen bis zur Beringsee

Archive for ‘August, 2014’

Beaver Creek

Kurzer Time-Check: Ankunft am Nome-Creek (Einstieg für den Beaver Creek) abends am 23. Juli.
So also endet die Zeit als Flussreisender für mich noch nicht, auch von Freiherz muss ich mich noch nicht trennen 🙂 Aber was wird der Beaver mir bringen? Entschleunigung. Ein wenig mulmig wird mir schon, als mir klar wird, wie „wenig“ Strecke pro Tag diesmal vor uns liegt – das „so viel Strecke wie geht“ muss ich mir abgewöhnen. Und in der Tat, das Paddeln ist völlig anders.
Der Creek ist nur ein paar Meter breit und fließt viel schneller als zuletzt der Yukon. Sich treiben lassen geht nicht, ständige Aufmerksamkeit ist gefragt, um den richtigen Kanal zu wählen (sonst wird man auf Steinbänke geschoben) oder nicht unter ins Wasser ragende Bäume zu kommen.
Das bedeutet aber auch mehr Abwechslung beim Paddeln. Ich gewöhne mich schnell daran und freue mich fast, als das erste mal kräftiger Wind aufkommt – man kann auf dem Wasser nämlich (fast) nichts davon mitbekommen – unglaublich 😉

Zeit
Mit diesem anderen Zeitablauf bleibt viel mehr Zeit für andere Sachen – wir wandern ein paar Mal auf die umliegenden Berge rauf. Thommy fliegt Gleitschirm und nutzt diese Gelegenheiten reichlich aus. Auch bleibt Zeit, mal tatsächlich zu angeln. Franky hatte das schon seit längerer Zeit gemacht und ich probiere es dann auch mal aus. Gleich am Tag der ersten Versuche fange ich eine Äsche, die neben die bereits von Franky gefangenen auf das Lagerfeuer wandert. Einfach lecker!
Aber auch das Wetter ändert sich wieder, ändert sich schneller weil wir wieder direkt von Bergen umgeben sind. Nachts wird es kalt, sehr kalt. Einmal friert es sogar. Und das Ende Juli – und wir sind südlich des Polarkreises!
Aber damit nicht genug. „Endlich“ sehe ich meinen ersten Grizzly, der fast direkt in unser Camp marschiert, wahrscheinlich weil er die Fische auf dem Grill gerochen hat: Thommy hört Geräusche an den Booten und guckt kurz, kommt schnell darauf zurück – „da ist ein Bär“…
Meister Petz kommt ein Stückchen rauf, sieht uns und dreht ab. Weg ist er. Auch bekomme ich Gelegenheit und Zeit, ein paar Aufnahmen von Biebern aus nächster Nähe zu machen. Einfach schön.

Sweeper
Kurz nach der Halbzeit der Tour gibt es noch einmal Herzklopfen. Wir paddeln auf eine Verzweigung des Flusses zu, diskutieren über „geradeaus oder rechts“, entscheiden uns für rechts. Ich paddle nach rechts und muss mich kurz anstrengen (dass ist eigentlich das Zeichen, dass die Hauptströmung eben woanders langgeht…).
Kaum abgebogen sehe ich nach hinten, wo ich von den anderen beiden nur noch Franky hilflos-schulterzuckend sehe – aber in die andere Richtung. Na super. Viel Zeit mich zu ärgern habe ich aber nicht, muss mich voll auf die Strecke konzentrieren, extrem schnelle Entscheidungen treffen, Schwallstrecken mit Sweepern und Treibholzhaufen machen den Weg gefährlich. Schließlich sehe ich eine extrem schäbige Stelle auf mich zukommen. Ein Baum liegt Wurzel voran mitten im Fluß. An der Stelle, wo der (Vermutung) „Geradeaus-Arm“ von vor ein paar Minuten (von links) wieder reinkommt. Links und rechts von dem Baum sieht es zu gefährlich aus, aber Gott-sei-dank finde ich links vorher eine Stelle mit Kehrwasser,
in die ich schnell einschlage. Erst mal die Lage checken. So eine Kacke. Wo sind die beiden? Und warum habe ich die Sicherheit so schleifen lassen? GPS-Gerät und SPOT-Messenger trage ich schon länger nicht mehr am Körper. Also wieder dran das Zeug. Das GPS Gerät sagt außerdem, das der Beaver Creek gar keine Abweigung hier haben sollte. Aha, sehr hilfreich.
Was mache ich denn jetzt, wenn die beiden nicht wieder auftauchen? Und wie komme ich an dieser Stelle hier vorbei? Zurückpaddeln ist unmöglich. Schließlich mache ich eine einfache Stelle aus, die eigentlich gegen die Strömung des „Geradeaus-Arms“ geht. Selbst wenn ich da auflaufe, kann ich das Boot ziehen, ohne dass mir das Boot weggedrückt wird, wenn ich nicht drinsitze.
Also beschließe ich, erst einmal diese schäbige Stelle zu überwinden und danach wieder anzulanden. Doch plötzlich mache ich eine Gestalt auf der Rückseite der Insel (die den Creek eben in „geradeaus oder rechts“ aufteilt) aus. Längere Haare, könnte Franky sein. Plötzlich fängt die Gestalt an, sich auszuziehen. Was zur Hölle wird denn das? Und jetzt fängt die Gestalt an, durch den Fluß zu waten.
Es rattert in meiner Rübe. Klick – Kacke. Da ist was passiert. Was kann ich tun? Rüber zur Insel kann ich nicht. Moment mal. Ich hatte doch eine Lösung, wie ich um die schäbige Stelle drum herum kommen könnte, gegen die Strömung. Wenn das da geht, vielleicht auch noch weiter rauf… Los gehts – und es klappt!
Ich benutze das erste Mal die Signalpfeife, um der Gestalt – Franky, wie ich mir jetzt sehr sicher bin – zu signalisieren, dass noch jemand kommt.

Was war passiert?
Durch die „Entscheidungsfindung“ ist uns durch die Lappen gegangen, was passiert wenn man doch geradeaus fährt. Dort lagen nämlich mehrere Sweeper (das sind unterspülte Bäume, die zwar noch mit derm Wurzelstock im Erdreich stecken, deren Stamm samt Krone aber von schräg oben ins Wasser ragt).
Und genau auf so eine sind die beiden draufzu ohne noch Zeit zu haben abzudrehen. Wenn man „Glück im Unglück“ hat, kann man drunter her fahren. Wenn man Pech hat, kann nur das Boot ohne Besatzung drunterher (die ragt ja raus…). Weil die beiden sich nicht aus dem Boot schubsen lassen wollten, habe sie sich dan festgehalten, was allerdings nur dazu geführt hat, dass das Wasser das Boot nach unten drückte. Schließlich lief Wasser von oben rein, ruckzuck  war das Boot unter Wasser, die Ausrüstung wird rausgespült… Und genau hinter der war der Franky her, während der Thommy das Boot sicherte. Als ich an der „Unglücksstelle“ ankam, konnte ich noch das Boot unter Wasser sehen. Der Rest war schon raus und ausgebreitet zum Trocknen – Thommy hatte
schon ein Feuer entfacht. Ein paar der entflohenen Ausrüstungsteile konnten wir am nächsten Tag wiederfinden, z.B. die beiden Paddel. Andere Teile blieben aber verschollen. Insgesamt war ich schwer beeindruckt, wie schnell die beiden richtig und ruhig reagiert haben. (Boot sichern. Ausrüstung sichern. Feuer machen.)

Rundflug
Doch auch dieser Trip neigte sich irgendwann dem Ende. Am 6. August werden wir ausgeflogen – ein unglaubliches Erlebnis. Auf einer natürlichen Schotterpiste am Ufer landet eine kleiner Buschflieger, ein dürrer Pilot steigt aus und pinkelt erst einmal hinters Flugzeug… Der Flug ist dank des guten Wetters eine wunderbare Sache, ich kann immer noch schwärmen 🙂 Das nächste Mal fliege ich nur noch!

Abschied von der Freiherz
Auf dem Yukon samt Quellseen haben mir gemeinsam ca. 1.450 km zurückgelegt, auf dem Beaver Creek ca. 220km. Ein wenig traurig bin ich schon, auch wenn vor der Tour klar war, dass ich das Boot am Ende (wenns denn die Beringsee geworden wäre) abschreiben muss. Peter Kamper, der uns die Flüge organisiert hat, hatte auch arrangiert, dass die Boote von in der Nähe lebenden Jägern weitergenutzt werden. Ein Ausfliegen wäre zu teuer gewesen.

Wieder Fort Yukon

Da steh ich nun ich armer Tor…
Erst einmal musste ich mir eine Unterkunft besorgen, um in Ruhe zu überlegen, was ich nun mit der ganzen freien Zeit anfange.
Also wieder hin zum BnB, wo man mich überrascht, aber herzlich empfang – ich durfte im Garten mein Zelt aufstellen – denn es war alles belegt. Hier hatten sich mittlerweile 3 weitere Gäste eingefunden: 2 ältere Kanadier,
die im Kanadier (hahaha) ebenfalls ihren Trip wegen des Windes abgebrochen haben, und Igor, ein italienischer – mir fällt leider kein besseres Wort dafür ein – „Reisejournalist“.
Er war ebenfalls allein im Kanadier auf dem Yukon und wollte nach Erreichen von Fort Yukon den Porcupine River hinunterpaddeln. Auch ihm hat der Wind den Spaß verdorben und er suchte nach neuen Plänen.
Da war ich also nicht allein… Ob dieses Jahr wohl überhaupt ein offenes Paddelboot die Beringsee erreicht?
Jedenfalls war es nix mit „in Ruhe überlegen“, im Positiven Sinne. Am nächsten Tag stießen Ralf, der in einem aufblasbarem Kanu-Floß (bestimmt der falsche Begriff, sorry!) unterwegs war, und Frank und Thomas zu der Gruppe hinzu, allesamt „vom Winde vergrault“.
Thomas und Frank hatte ich bereits in Dawson getroffen, sie hatten am letzten Tag dort meinen Laptop aufgeladen; die beiden Kanadier hatten sich noch am gleiche Tag ausfliegen lassen.
Die Zeit bis zum neuen Trip (später) verging mit Grillen, Bier trinken und Golf spielen (kein Scherz!!!). 🙂

Igor D’India
Dem Igor muss ich einfach ein eigenes Kapitelchen widmen. Ein Geschichtenerzähler vor dem Herrn. Er ist von Toronto aus nach Whitehorse getrampt, um sich dort auf den Yukon und die Spuren von Walter Bonatti zu begeben. Walter Bonatti ist eine Bergsteiger-Ikone (ebenfalls Italiener), der nach dem Ende seiner alpinen Karriere 1965 einen Trip auf dem Yukon und dem Porcupine-River unternommen hat. Auf der Suche nach Zeitzeugen von Walter Bonatti und schönen Geschichten vergisst er nicht, letztere in unnachahmlicher Weise zu erzählen. Wer auf Facebook ist, sollte sich seine Dawson-Brownie-Geschichte zu Gemüte führen.. :-). Außerdem hat er einmal 30 Tage am Stück in einer Höhle verbracht – ebenfalls um ein Experiment zum Zeitempfinden des Menschen nachzuerleben.
http://www.igordindia.it/

Neue Pläne, I
Thomas und Frank (ab jetzt Thommy und Franky) überlegten sich, anstatt auf dem Yukon weiterzupaddeln, sich zum Beaver Creek bringen zu lassen – mit Boot – und dort bis zur Einmündung des Victoria Creeks zu paddeln. Auf die Idee hatte sie der Ralf gebracht, der den Beaver-Creek drei (?) Wochen später mit seinem Sohn paddeln wollte. Nach kurzer Anfrage werde ich adoptiert und wir gehen den Trip ab hier gemeinsam an. Aber wie bekommt man ein (bzw. zwei) Kanus(s) aus Fort Yukon dahin??? „Ganz einfach“: Es gibt eine kleinere Barge, die aus Fort Yukon ab und zu Richtung Circle ablegt. Gerrold heißt der Kapitän, der unsin unnachahmlicher Manier gegen die Strömung zurück nach Circle brachte (nix mit „verirren“…!). Dort erwartete uns Sam (Sohn des BnB, siehe obige Berichte) und brachte uns zu der Stelle, an der der Nome-Creek in den Beaver-Creek einmündet.
Ralf hat sich übrigens – soweit ich weiß – noch ein paar schöne Tage in Fort Yukon gemacht, nachdem er uns noch mit der Barge „weggebracht hat“. Igor hat sein Kanu eingetauscht gegen eine (Boots-)Mitfahrgelegenheit nach Old Crow (Kanada), wo ein paar Tage später das alle-paar-Jahre stattfindende Gathering der Gwich’in-Natives (die Natives, die quasi schon immer die Gegend um den Raum um Fort Yukon ansässig waren). Ginnys Mann Clarence war übrigens so eine Art Oberhaupt der Gwich’in und wurde von Präsident Obama für die seine Entwicklung von Arbeitsplätzen in Fort Yukon mit der zweithöchsten zivilen Auszeichnung geehrt.

Übrigens unterhält der Thommy eine Homepage zu allerlei Outdoor Aktivitäten (sehr empfehlenswert!):
http://www.outdoor-life.eu

Bilderstrecke zu „Dawson-Circle“

Bilderstrecke zu „Die Spielhölle des Nordens und ein schwerer Abschied“

Bilderstrecke zu „Tu mal lieber die Möhrchen und durchgeknallte Paddler“

Bilderstrecke zu „Whitehorse – Carmacks“

Bilderstrecke zu „Trottelbuchten, Hobbithöhlen und wer ist hier eigentlich der Boss?“