Im Kanu auf dem Yukon

Von den Quellseen bis zur Beringsee

Archive for ‘Oktober, 2014’

Hühnerhaufen und Strandphilosophen – Kauai

Lihue, 30 Grad imSchatten. 3-Wetter Outdoor-Schichten an.
Nein, dass passt nicht zusammen. Aber die Klamotten waren auf jeden Fall zu warm und ich kann mich doch nicht auf dem Flughafen umziehen.

Blablabla. Es musste ein Auto her. Eins, in dem ich die Sitze so umbauen konnte, dass ich auch drin schlafen kann, war ich doch schon zu faul zum Zelt aufbauen geworden. Und ich hatte absolut keinen Plan, was ich jetzt auf der Insel machen würde. „Go to the north“, riet mir der Mann von der Autovermietung. „As I was young and came here the very first time – well in deed I stayed – I stayed the whole summer at the beaches in the north. Anini Beach is the most beautiful, but you might as well enjoy the other… blablablablabla…. I will show you on the map… blablablabla….“ An den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern, es war einfach zuviel. Aber das Wort „Anini“ konnte ich mir merken. Ich stieg in den Wagen und… stieg wieder aus, hatte ich doch etwas am Schalter vergessen. Dabei trat ich fast auf ein Huhn und erschreckt uns beide damit zu Tode. Ein Huhn??? Noch wunderte ich mich. Aber die liefen auf der Insel überall rum, wie ich noch lernen sollte. Das altbekannte Programm begann wieder von vorn. Einkaufen. Brennspiritus für meinen Trangia-Brenner besorgen (das ist außerhalb Europas absolut kein Kinderspiel!). Badematte, Hawaii-Hemd und Badehose durften nicht fehlen. Und als das dann endlich erledigt war, fuhr ich brav nach Anweisung in den Norden, fand den Anini Beach und blieb. Ich dachte ich träume. Nix mit von Touristenleibern überfüllten, endlosen Sandstränden. Eine riesengroße, ebene Rasenfläche wurde von einer 5 Meter tiefen Waldhecke begrenzt, dahinter wartete der ebenfalls nur ca. 5 Meter tiefe Sandstrand. Und dann kam das Meer. Es waren zwar auch Menschen da, aber die fielen gar nicht auf. Und befreiend warm war es. Nicht drückend-schwül oder etwas in der Art, einfach nur angenehm warm. Also, wenn man sich nicht bewegte.

„Where are you from?“ Riss man mich aus meinem Staunen. Ich drehte mich um und blickte in ein wettergegerbtes Gesicht. Es war Richard, ein Fischer aus – Trommelwirbel – Alaska. Im Sommer in Alaska arbeiten und dem Winter auf Hawaii trotzen. Er erklärte mir schnell, wie das hier mit den Campgrounds funkionierte. Man brauchte nämlich doch Permits. Für sagenhafte 3 $ pro Nacht. Uiuiui. Ob ich mir das noch leisten kann? Die Permits bekommt man in ich-habe-den-Namen-vergessen und die haben nur von 12 bis Mittag auf. Und am Wochenende zu. Aber wenn man die Kontrolleure beim Rundgang morgens nett anguckt kommt man auch so klar. Aha. Nett gucken. Ich. Hmm. Richard empfahl mir außerdem, den sog. Kalalau-Trail zu erwandern und für einen Internetzugang mal in den öffentlichen Büchereien vorbeizuschauen.

Bei der Zubereitung des Abendessens machte ich das erst mal seit langem wieder Bekanntschaft mit nächtlicher Dunkelheit. Und zwar ab Punkt 19 Uhr. Gruselig. Ich schlich zum Strand und legte mich unter den Sternenhimmel. Sternschnuppen zu Hauf, am Horizont waren die Lichter und Umrisse eines Kreuzfahrtschifes zu sehen. Ich schlief ein.

Ein Krähen weckte mich. Aber nicht am Strand, denn dort hatten mich Krabben dauernd mit Sand beworfen. Zu bestimmten Tages- bzw. Nachtzeiten kommen die aus Ihren Höhlen im Strandsand gekrochen und haben dann neben der Nahrungssuche (gerne kleinere Artgenossen) ausschließlich damit zu tun, ihren Höhleneingang einer Kehrwoche zu unterziehen. Was lege ich mich auch vor deren Haustür. Zurück zum Krähen – ich hatte die Nacht im Auto verbracht. Da waren sie also, die Horden von Hühnern. Was ist denn hier los??? Aber die tun ja keinem was. Nach dem Frühstück besorgte ich mir in Princeville einen Bibliotheksausweis, fand heraus, dass man für den Kalalau-Trail einen Permit brauchte, es aber natürlich für die ganze nächste Woche keinen mehr gab und stampfte das ganze auf eine Tageswanderung zum Hanakapai’ai Beach und einem Wasserfall im Hinterland. Für Montag besorgte ich mir ein Kajak, wollte ich doch Hawaiis vermeintlich einzigen „schiffbaren“ Fluß, den Wailua, bepaddeln. Am Abend fuhr ich dann schon einmal Richtung Trailhead am Ke’e Beach und blieb in der Nähe, am Haena Beach. Ich wollte früh aufstehen, um nicht in der Mittagshitze wandern zu müssen. Überall wurde vor den Anstrengungen der Wanderung gewarnt, man solle viel Wasser mitnehmen, sich auf schlechtestes Wetter einstellen, blablabla. Wie ernst konnte ich das jetzt nehmen, es war ja andererseits auch eine „übliche“ Tageswanderung. Egal, ich nahm meinen – für eine Tageswanderung viel zu monströsen – Trekkingrucksack, stopfte rein als wollte ich wieder zurück nach Alaska und zog in Badeshorts, T-Shirt und Wanderstiefeln los. Muss lustig ausgesehen haben.

Kalalau-Map

Ich habe noch nie so viel geschwitzt – ich hatte auf keinen Fall zu viel Wasser mitgenommen. Und der Trail war wirklich nicht ganz einfach, aber auf die Survival-Ausrüstung „für alle Fälle“ hätte ich dann doch getrost verzichten können. Egal. Ich legte eine Pause am Hanakapai’ai Beach ein, wo der eigentliche Kalalau-Trail weiter die Küste entlang führt, meine Tagesroute aber in den Dschungel führt, den Hanakapai’ai-Fluß hinauf. Am Beach selber wurde eine Strichliste als Warnschild geführt: Wegen nicht zu erkennenden Strömungen in der Brandung soll man auf keinen Fall runter zum Wasser gehen – 86 Menschen seien hier schon ertrunken… Nicht, dass das irgendjemanden interessiert hätte.

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Am Ende der Wanderung wartete ein Huhn.

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Nein, ein Wasserfall, die „Hanakapai’ai-Falls“. Und ein Haufen Menschen. Und ein Huhn. Dann gings den gleichen Weg zurück.

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Wailua-River und der Rest
Am Montag besorgte ich mir erst mal ganz hoch offiziell für 3 $ je Nacht die Permits zum Campen, um am Mittag ins Kajak auf den Wailua zu hüpfen. Der Abend brachte einen neuen Strand, den Anahola Beach. Hier konnte ich das Zelt direkt am Meer aufbauen (im Auto wars doch einfach zu warm). Ich fuhr noch einen Tag auf der Insel herum, organisierte mir den Flug von LA nach Vancouver, und verbrachte den Rest der Zeit im Wesentlichen mit Nichstun. Ich fand, das hatte ich mir verdient. Am folgenden Freitag gings nach einer Woche zurück nach LA.

High-End Philosophie – a constant living in fear
Ich war dazu übergegangen, Anhalter mitzunehmen. Schließlich hatte ich ja schon gewaltig davon profitiert – irgendwie wollte ich das auch zurück geben. Irgendwann war auch so ein Surfertyp dabei – er war aber Masseur, wie er erzählte. Obendrein ein wenig zugedröhnt. Na das kann ja was werden. Ich erzählte von dem, was ich vorher gemacht hatte und erntete Bewunderung, im Gegenzug erzählte er davon, wie es ihn vor ein paar Jahren nach Hawaii verschlagen hatte. Er hatte auch einen Sommer am Kalalau Beach gelebt, wo man nur über den Trail hinkommt, für den ich keinen Permit mehr bekommen hatte. Ich erwähnte mein „Glück“ mit dem Permit. „Permit? What? You don’t need that. There is even a small village and nobody has a permit when they march to town sometimes.“ … Ich war sprachlos. „Uh… I see. So the mistake I made is that I took some rule serious? Might be… well in Germany we we have rules for everything… unimaginable. Germany his highly populated, say overcowded. And because of that…“ fing ich an zu salbadern, wurde aber mit „So people in Germany are living in a constant fear of anything?“ unterbrochen. Wieder war ich sprachlos. Nach nur 15 minütiger Unterhaltung hatte er alle Deutschen in einer ihrer Gemeinsamkeiten durchschaut. Es passte einfach. Wenn ich an all das Beschweren, Jammern, Meckern, Diskutieren, Wählen und Abwägen denke; an das Sorgen machen über Rente, Krankheit, Kredit abbezahlen, alles Mögliche mindestens 3 Jahre im voraus planen, der Nachbar hat die Kehrwoche nicht eingehalten (oder sich ein neues Auto gekauft)… die Liste könnte fast endlos weitergehen. Es passt.
A constant living in fear. Ein zugedröhnter Typ liefert High-End Philosophie frei in den Mietwagen. Unfassbar.

No shields
Hawaii war befreiend. Mit einem Mal war alles mühselige der letzten Wochen, besser der letzten Monate weg. Zeltplatz suchen, nicht in einer Kuhle, aber geschützt. Beim Kochen Aufpassen um keine Bären mit Nahrungsmittelresten anzulocken. Alles möglichst geruchsdicht verpacken. Warm anziehen. Wo gibt es Wasser. Was macht das Wetter, regnet es bald? Was macht Freund Wind? Gibt es eine gute Stelle für eine Wetterpause? Wo ist das Bärenspray? Wo bin ich überhaupt? Wird das Kanu weggespült wenn das Wasser steigt? Wie weit stelle ich die Tonnen weg vom Lagerplatz?…
Alles egal. Keine „Schilde“ mehr nötig gegen alle möglichen Widrigkeiten der Natur. Nur Zelt an den Strand, mit der Brandung einschlafen und wieder aufstehen. Blick direkt aufs Wasser…
Werde ich deswegen von jetzt an „den Norden“ meiden? Keinesfalls. Auf die Abwechslung kommt es an.

Denali sucht den Superstar, wie verschickt man eine Axt und wo liegt eigentlich Hollywood?

Das war es also. Tiefe Ermüdung übermannte mich, als ich den Park verließ. Vor allem als ich den prall gefüllten Packsack und die Paddel wieder in Empfang nahm, die ich kurz vor dem Ende von Roadtrip II schon einmal im Salmon Bake (ein Gasthaus mit Übernachtung) am Eingang vom Denali deponiert hatte. Da war er wieder, der ganze Plunder. Wieder mit rumschlören. Juhu. Ich gönnte mir ein fettes Abendessen im Salmon Bake und spülte alles mit reichlich Bier hinunter. Für „Abendunterhaltung“ war auch gesorgt – die Aushilfskräfte, die im Sommer um den Denali herum arbeiten (meistens Studenten us allen möglichen Ecken der Welt) hatten eine eigene „Denali-sucht-den-Supterstar“-Challenge ausgerufen und heute abend war Halbfinale. Jetzt weiß ich auch warum ich das nicht im TV gucke.
Wo war eigentlich der Doran abgeblieben? Bestand da nicht die Möglichkeit, dass er mich mitnimmt nach Anchorage? Ich hatte nur die Email. Doch der war leider schon weitergefahren auf die Kenai Halbinsel. Er bot mir aber an, ihn ab Anchorage auf seinem Weg zurück nach Kanada über den Top-of-the-world Highway und dann die Westküste bis hinunter nach Vancouver zu begleiten.

Anchorage
Drei Tage später konnte ich endlich die Hawaii Reise klar machen. Ich hatte mich außerdem dagegen entschieden, Doran zu begleiten, denn mit „dem Norden“ war ich „durch“, das spürte ich sehr deutlich. Leider war Anchorage-Hawaii und zurück nicht die beste Verbindung – 18 Stunden im Schnitt… meist mit mehreren Umstiegen. Viele der Flüge hatten einen Umstieg in Los Angeles. Aber moment mal, in LA wohnen doch Bryan Brown (s. Beitrag „Hobbithöhlen…“ vom beginn des Trips: https://yukonbernd.wordpress.com/2014/06/13/trottelbuchten-hobbithohlen-und-wer-ist-hier-eigentlich-der-boss/) und Grace Shee (eine Professorin für afrikanische Geschichte, die ich als Anhalterin auf der Kenai Halbinsel von Hope nach Seward mitgenommen hatte – s. auch http://www.youtube.com/watch?v=xpfNWbezUW4). Wenn ich sowieso über LA fliege, kann ich doch auch einfach von LA nach Hawaii und zurück fliegen und anschließend noch ein paar Besuche in LA machen? Bryan hatte sich inzwischen sogar gemeldet, denn er hatte in seinem Kajak am 27. Juli die Beringsee erreicht (er hat sich ganz schön über das Wetter beschwert). Und ich könnte dann auf dem Rückweg nach Deutschland über Vancouver fliegen und von dort aus noch meine Cousine Karin besuchen, die zwischenzeitlich für ein dreiviertel Jahr nach Victoria auf Vancouver Island zum studieren gezogen war… meine Güte taten sich da auf einmal Möglichkeiten auf. Aber Hawaii besteht aus mehreren Inseln, welche nehmen? Meine ursprüngliche Auswahl, „The Big island“ hatte mir der aktuell aktive Vulkan wieder madig gemacht. Bevor ich mich zu Tode recherchierte, entschied ich mich für die angeblich am wenigsten touristische Insel: Kauai. Auf der würden auch immer Filme gedreht… nein, nicht zu Tode recherchieren. Klick. Gebucht. Fertig.

Axt und Paket
Nur noch eine Sache war zu erledigen. Ich wollte endlich einen Teil der Ausrüstung loswerden. Aber da ich ja scho ein paar mal durchsortiert und verschenkt hatte, war nur noch der Teil übrig, den ich zwar jetzt nicht mehr brauchte, nicht aber verschenken oder wegwerfen wollte. Also nochmal dran, die gelbe Tasche vollgestopft und… ja, was nun? Nach einem halben Tag des Herumirrens, einer Menge netter hilfebereiter Menschen landete ich wieder bei der amerikanischen Post, die ich vorschnell mit „sowieso zu teuer“ beiseite gelegt hatte. Aber wehe, in dem Paket sind „gefährlichen Gegenstände“ drin. Knopfzellen-Batterien. Oder ein leerer Benzinkocher. Und die Axt. Alles musste ich wieder rausräumen. Gut, ein wenig blöd kam ich mir schon vor, als ich das zuletztgenannte Zeugs neben der Schlange am Schalter wieder rausräumte… wie überraschend, dass die amerikanische Post was dagegen hat, meine Axt zu versenden… als ich dann fertig war stellte ich mich – Axt in der einen, Tasche in der anderen Hand – wieder vor den Schalter. Ich äugte vorsichtig, ohne meinen Kopf zu bewegen, nach links und rechts. Sahen die Leute mich misstrauisch an? Denken die, ich raube gleich die Post aus? Nein. Schien ganz normal zu sein, mit einer Axt in der Hand vor dem Postschalter zu stehen. Ich adressierte das Paket unabgesprochen an Birgit. Die wird sich bestimmt freuen, ein dickes Paket aus Alaska zubekommen. Mit all den stinkenden Sachen drin. Hähähä. Aber halt, nein, ich musste noch haarklein auflisten, was alles in dem Paket ist. Und einzeln den Wert der Gegenstände schätzen. Nach einer kurzen, weinerlichen Schauspielvorstellung von mir kam ich drum herum, jeden einzelnen Gegenstand taxieren zu müssen, ich dürfte auch die Summe schätzen. Hinterfragt hatte ich das ganze nicht, jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt, dachte ich doch, das hätte irgendwas mit einer Absicherung des Paketinhaltes gegen Verlust oder Beschädigung zu tun. Wie blöd von mir – ich hätte das doch kennen müssen, denn ich hatte vor ca. Einem Jahr Karten, die ich mir aus Kanada schicken ließ, vom Zoll abolen müssen. Würde ich – ach nein, ich hatte ja an Birgit adressiert – dann in Deutschland auf dieses Reisenpaket mit gebrauchten, stinkenden Klamotten etwa Einfuhrumsatzsteuer auf die von mir geschätzte Summe zahlen müssen? … Wenn ja, hätte ich mir ein paar Auslacher verdient. Ich traf mich noch mit Doran auf ein paar Bier und einen Tag später gings los.

Auf Wiedersehen, Alaska! :-*

Mein Flieger zog seine Kreise um den Hollywood-Schriftzug. Ach, in Los Angeles war das? Reisen bildet. Grace Shee (s.o.) war so nett mich vom Flughafen LAX zu einem Busbahnhof zu lotsen und mich dort einzusammeln. Es gab eine kleine Stadtführung, so weit man das bei einer so entsetzlich riesigen Stadt machen kann, einen kurzen Gang über den Walk-of-fame und dann, endlich, ging es zum Flieger nach Hawaii.

Bilderstrecke zu „Winter is coming“

Die Bilder vom Berg Mt. McKinley/Denali selbst sind mir m.E. nach nicht so gut gelungen – hätte ich doch damals im „Outdoor-Fotografie“-Kurs von Thomas Rathay besser aufgepasst 😉 (http://das-abenteuer-fotografie.de/) Thomas ist übrigens der Führende in der Gesamtwertung der meisten Kommentare hier… 🙂

Winter is coming

So, nun war es also so weit. Der Denali NP wartete im Anschluss an die Road Trips auf mich. Und er hatte ja nach dem Kampf um Passierschein A38 ein voller Erfolg zu werden. (Übrigens: wer nach einer höflichen Umschreibung für die Weiterverweiserei der Ranger sucht, findet in „der Kenntnisstand der Ranger ist ausgesprochen unterschiedlich“ sicherlich den passenden Euphemismus… (hab ich aus einem Reisebericht))

Wieder in Fairbanks angekommen, sortierte ich erst mal mein Hab und Gut streng durch – schließlich brauchte ich ja nicht mehr alles und der ganze Plunder fing langsam an, mir auf die Nerven zu gehen. Einen Teil der Ausrüstung bekam Sam als Dankeschön für den Truck. Auch Jason bekam einen Teil, denn die letzte Nacht in Fairbanks konnte ich bei ihm übernachten. Nur eine Möglichkeit, zu einer passenden Stelle zum Trampen am Stadtausgang / George-Parks-Highway zu gelangen, fehlte noch. Aber auch das erledigte sich von selbst: Jon, ein Freund von Jason brachte mich dort hin. Noch schnell ein Schild gemalt und schon… fing es an zu regnen. Ich hatte Glück: es hörte schnell wieder auf und Keith, ein Ex-Soldat, nahm mich mit und setzte mich am Wilderness Access Center (WAC) im Denali Park ab. Und natürlich war er einmal in Deutschland stationiert, wie fast alle älteren Ex-Soldaten hier. (ganz nebenbei: allen hat es in Deutschland gefallen.)

Keith

Keith

Allerdings musste ich noch eine Unterkunft für die Nacht finden, denn auch hier hatte ich die Vorausplanungen mal testweise eingestellt. Aber der Campground am Parkeingang hatte noch ein Plätzchen frei.

Das erste Ziel war der Igloo Creek Campground. „Campground“ steht hier aber nur für „Plumpsklo, bärensichere Container und Tischbänke“. Nachdem ich bei strahlendem Sonnenschein das Zelt aufgebaut und einen Happen eingeworfen hatte, machte ich mich sofort daran die Gegend querfeldein zu erkunden. Unglaublich schöne Ausblicke boten sich mir – und das Wetter sollte angeblich noch bis übermorgen so weitergehen. Am Berghang gegenüber machte ich eine kleine Gruppe Dallschaf-Böcke aus, die es sich in der Sonne gut gehen ließen. In die andere Richtung konnte ich sogar zwei ausgewachsene Freizeit-Kielings vor die Linse kriegen. Vorsichtig beäugten wir uns, ich knipste vorsichtshalber ein paar Fotos und dann ging jeder seiner Wege.

Freizeit-Kielings in Aktion

Freizeit-Kielings in Aktion

„Man hat hier nur eine 25%-ige Chance, den Denali (früher Mt. McKinley) zu sehen. Und die beste Aussicht hat man vom Eielson Visitor Center“ Höre ich es jetzt noch in den Ohren klingeln. Oh man. Da muss ich dann bei dem angesagten Wetter morgen wohl hin… Also tags darauf in den erstbesten grünen Bus (jaja, mit den Bussen kannte ich mich jetzt aus). Bei den Zwischenstops zwischendurch boten sich spektakuläre Anblicke, aber das Wetter hatte sich doch etwas zugezogen, so dass der Berg sich – wie das am Häufigsten so sein soll – hinter Wolken versteckte. Wenigstens konnte man einen Bären beim Beerenfressen beobachten. Ich ging noch ein paar Meter auf dem „Alpine Trail“ und eine Bärenbegegnung später hieß es auch schon wieder „ab nach Haus“.

Ein Blick aus dem Zelt am nächsten Morgen genügte – das Wetter wurde schlecht. Nach Frühstück und einer kleineren Wanderung einen Berg hinauf (ich hoffte, die Dallschafe vom Tag davor zu sehen) fing es an zu regnen. Nein. Es fing an zu hageln. Was soll denn das??? Gott sei dank hatte ich das Tarp mitgenommen und schon einmal aufgebaut (Titelfoto!). Ich verkroch mich im Zelt und hielt ein Nickerchen. Ich nutzte eine kurze Regenpause für das Abendessen und verkroch mich wieder im Zelt – gut, dass ich den Ebook-Reader mitgenommen hatte. Irgendwann wurde der Hagel zu Regen, aber das war alles, was an diesem Tag noch passierte. Ich blieb im Zelt. Dann halb 5 morgens: Stille. „Es hat aufgehört zu Regnen“ freute ich mich, wunderte mich über die Kälte und schlief wieder ein.
Ein paar Wassertropfen fielen auf meine Stirn und weckten mich. Nein, das Zelt war dicht. Es war Kondenswasser. Kondenswasser im Innenzelt??? Kondenswasser gehört zu den Sachen, die ich am meisten hasse auf den Touren draussen. Man kann sich auf den Kopf stellen und das Zelt ist trotzdem nass. „Aber Kondenswasser habe ich doch nur, wenn es draussen kalt und/oder nass ist und es hat doch schon vor Stunden aufgehört zu regnen. Und wieso ist es draussen so still? Und hier drin so sch*kalt???“ …
Ich riss die Reissverschlüsse des Zeltes auf. Etwas Kaltes fiel mir ins Gesicht.

Schnee – Winter is coming.

Am 1.9. der erste Schnee. Von wegen „aufgehört zu regnen“. Nur etwas geräuschloser… Das kann doch nicht wahr sein. Und ich wollte doch heute das Zelt abbauen und zum Wonder Lake Campground … Bähhh. Nach einem heißen Kaffee checkte ich erst einmal die Lage an der Parkstraße. Sieht nicht so aus, als ob die Busse heute so weit fahren. Und einfach das Zelt auf Verdacht abbauen… ich wartete auf den nächsten Bus und fragte erst mal nach. „Actually all buses are to stop at Teklanika. Perhaps in the afternoon…“ Sch*!!! Also warten bis morgen? Im Laufe des vormittags kam noch eine Rangerin vorbei, die anfangs auch nicht mehr wusste, mir aber kurz bevor sie ging, weitergab, dass die Busse nun doch wieder weiterführen. Also schnell das Zelt abgebaut, mir einen Ast in den Bauch gewartet, und… später das Zelt an Ort und Stelle wieder aufgebaut. War doch nix mit „die Busse fahren wieder“. „Was solls, den Rest des Tages spazierte ich ein wenig auf der schlammigen Parkstraße auf und ab, aber diesen Tag passierte nichts Spannendes mehr.

„We thought about you! There is a bear in the area.“,
rief mir der Ranger im Eielson Visitor Center quer über das Modell der Umgebung des Denali und durch die sich darum scharende Menschenmenge zu. Es war einen Tag später, die Busse fuhren wieder und wir machten auf dem Weg zum Wonder Lake eine Pause im Eielson VC. Warum nicht gleich einen Eimer Konfetti über mir auskippen? Und einen Scheinwerfer vielleicht noch? Spaß beiseite – was war vor 2 Tagen los? Auf dem Tagesausflug zum Eielson VC konnte man anfangs hangabwärts einen Bären beobachten. Als ich auf dem Rückweg vom „Alpine Trail“ war, hatte der Bär inzwischen eine kleine Runde gedreht und kam quasi direkt auf mich zu. „Mist“ war mein erster Gedanke. Der Zweite, schnell das Bärenspray aus dem Rucksack rauszuholen (es war natürlich ganz unten). Dann hatte ich doch tatsächlich noch die Muße, das Objektiv der Kamera auszutauschen. Der Wind kam aus meinem Rücken, also musste mich das Zottelding eigentlich bemerkt haben. Es schien den Bären aber nicht zu interessieren. Der Trail führte in Serpentinen hangabwärts, und gerade war eine extrem lange Strecke „nur geradeaus“ vor mir. Sie führte direkt auf den aktuellen Standort des Bären zu. Es würde nicht lange dauern, und der Bär würde auf diesen Teil des Weges treffen und vermutlich genau darauf weiterlaufen. Wenn ich auf dem Weg bleibe, laufe ich direkt auf ihn zu – keine gute Idee. Was tun? Bären sind ganz schön schnell, auch wenn sie nicht „rennen“. Ich konnte das VC schon sehen und eine kleine Menschenmenge hatte sich zur Beobachtung der Szenerie formiert.

„Also solange die da unten noch nicht anfangen zu kreischen habe ich wohl noch kein Problem!“, dachte ich mir, verließ den Trail und ging den Hang ganz ruhig direkt nach unten. Irgendwann musste ich so wieder auf den Trail treffen. Vorsichtig blickte ich immer wieder nach rechts, wollte ich doch sehen was der Bär macht – und ich sollte recht behalten: Er war keine 2 Minuten später über den Trail genau an der Stelle angelangt, wo ich den Weg verlassen hatte. Er stoppte kurz, schnüffelte auf dem Boden rum… und trottete weiter – Puh. Nun hatte ich wieder genug Nerven, holte die Kamera raus und konnte noch Bilder von „meinem“ Bären knipsen. Unten angekommen, versperrte mir ein Schild „Trail closed – bear in the area“ den Weg. Aha – vorhin stand das da noch nicht. Ein paar Schritte weiter erwartete mich ein breit grinsendes, bärtiges Rangergesicht: „How was your hike?“

"mein" Bär aus halbwegs sicherer Entfernung

„mein“ Bär aus halbwegs sicherer Entfernung

Wonder Lake
Als ich danach am Wolder Lake Camp Ground ankam, bot sich mir eine schier unglaubliche Szenerie. Ich dachte, ich träume. An einem sanften Hang waren inmitten der sich mittlerweile gelb und rot verfärbenden Zwergbirken und Blaubeerbüschen, kleine Zeltplattformen. Alles war still und friedlich. In der Ferne konnte man direkt auf den Mt.McKinley/Denali blicken, auch wenn der Gipfel hinter den Wolken blieb. Das ist das Ende, schoß es mir durch den Kopf. Schöner wirds nicht. Tränen stiegen mir in die Augen und ich stand für eine lange Zeit einfach nur so da.

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Denali bzw. früher Mt. McKinley – wie so häufig hinter den Wolken…

Plötzlich riss mich ein merkwürdiges Getröte über mir aus meiner träumerisch-sentimentalen Stimmung. Sand Cranes (Kanadakraniche) in V-Formation über mir – sie ziehen gen Süden. Wenn es nicht schon geschneit hätte – das wäre das endgültige Zeichen für den beginnenden Herbst.

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Sand Cranes

Die Wildnis hat Geburtstag
Ein wenig später wollte erkundete ich noch die Gegend, wurde aber von einem Ranger Andy Keller aufgehalten. Er warb für den allabendlichen Ranger-Talk. „Wilderness Heritage“ war das Thema des heutigen Abends. Und heute sei ja auf den Tag genau der 50ste Geburtstag der Wildnis. Wie denn die Wildnis Geburtstag haben könne, wenn doch ohne Menschen (denn das ist doch „Wildnis“?) niemand da sei um die Jahre zu zählen, fragte ich keck. Aber mir wurde schnell der metaphorische Sinn erläutert: Vor Genau 50 Jahren, am 3. September 1964 , wurden Gesetze zur Einrichtung und Erhaltung der Nationalparks in den USA verabschiedet, insbesondere wurde so der Denali-NP ins Leben gerufen. Wow, was für ein Zufall. Jedenfalls ging ich dem Ranger gern „ins Netz“, und so fand ich mich ca. eine Stunde später wie ein Schulkind auf einem Bänklein hockend und dem Ranger lausched wieder. Der Vortrag, auch wenn der Andy ihn schon die ganze Woche über schon gehalten hatte, war einfach beeindruckend. Dabei waren nicht der Inhalt, sondern der Enthusiasmus, die Authentizität und die Liebe, die der Andy „der Wildnis“ entgegenbrachte, beeindruckend und mitreißend. Zum Ende sang er für seine „7 Schüler“ (und seine Frau, die war zwischenzeitlich eingetroffen) noch ein Lied – „Forever Wild“ von Susan Grace.

Blog10_026_2_34     Link (PDF): Text – Forever Wild

Sonnenstrahlen drangen durch das Zelt und weckten mich. Ahh – Wärme. Der erste Blick aus dem Zelt bescherte mir einen noch besseren Ausblick als gestern. Ein unverhüllter Denali erhob sich in der Ferne. Außerdem war der meiste Schnee verschwunden. Eine bessere Kulisse fürs Frühstücken kann ich mir nicht vorstellen. Schnell die GoPro aufgestellt für Zeitrafferaufnahmen. Ich wollte ja schließlich auch „meine“ Bilder vom vermutlich am häufigsten fotografierten Berg der Welt haben.

Denali

Denali am morgen (ohne Wolken)

Dies würde der letzte Tag im Park werden, denn der Tag morgen würde nur aus der Abreise bestehen. Und wahrscheinlich auch der letzte Tag „draussen“. Der Herbst ist in vollem Gange, wärmer wirds nicht mehr, meine Ausrüstung wärmetechnisch an der Grenze und irgendwie… reichte es auch. Ich stromerte noch etwas am See „Wonder Lake“ herum (daher der Name…) und erwanderte den „McKinley River Trail“. Der Trail hört direkt  am Fluß auf – das war irgendwie symptomatisch. Wieder hatte ich dieses „das ist das Ende“-Gefühl, als ich vom Flußufer auf den Denali blickte und einmal mehr Rührung ob der Kulisse in mir aufstieg.

Blick auf den Denali vom Ende des McKinley River Trail

Blick auf den Denali vom Ende des McKinley River Trail

Auf dem Rückweg zum Zelt dachte ich nach. Ich wollte mich dem „das ist das Ende“-Gefühl noch nicht ganz beugen. Alaska oder besser „der Norden“ schien durch. Aber irgendwas musste ich doch noch machen können. Irgendwohin, wo es vlt. auch wärmer ist… Hawaii. Das würden viele Alaskaner machen, wurde mir schon öfter erzählt… Ich beschloss, mir erst einmal 2 Tage mit einem richtigen Bett zu gönnen, mich auszuruhen und dann von Anchorage aus diese Möglichkeit genauer unter die Lupe zu nehmen.

Bilderstrecke zu „Roadtrip – Teil II“