The streets of Emmonak

Mittlerweile überraschte mich fast nichts mehr. Ich traf Denis den Schwimmer wieder in Galena – er war schon vor mir eingetroffen. Er war das Stück von Ruby bis Galena durchgeschwommen (!) und erholte sich hier, machte ein paar Tage Pause. Ich verabschiedete ihn einen Tag später. Als ich ihn in seinem Neoprenanzug in den „Fluten“ Ferne verschwinden sah (es war immer noch stark windig – paddeln wäre keine gute Idee geswesen), fragte ich mich, ob ich ihn wohl wiedersehen würde. Dabei wurde mir auch klar, was ich jetzt machen würde. Ich muss das Boot irgendwie behalten und gucke mir auf jeden Fall noch das vermeintliche Ende an, dachte ich mir. Emmonak, einer der Orte im Mündungsdelta des Yukon. Einmal dagewesen sein und schon mal Infos sammeln.

Barge – Rubymarine
Das Boot behalten zu können stellte sich als erstaunlich einfach heraus: Einen Tag später Tag sollte nämlich eine Barge hier vorbeikommen, flussaufwärts. Diese würde dann weiterfahren bis Nenana, einem kleinen Örtchen am Tanana River, nicht weit weg von Fairbanks. Ich könnte das Boot vlt. mit Mike dort abholen, dachte ich mir und organisierte alles – Jake half mir dabei. Ich sortierte meine Ausrüstung und lud das Boot mitsamt der nicht mehr benötigten Ausrüstung auf eine Palette – fertig. Und das alles für einen Spottpreis – die Fahrten flussaufwärts haben einen anderen Kurs $ pro Pfund (lb) als flussabwärts – keine 100 $. Nur der Flug stellte sich als ganz schön kompliziert raus. Der ging nur über Galena – Fairbanks – Anchorage (mit Übernachtung) – St. Marys – Emmonak. „Alter. Dieser Flug ist mit Abstand fast die unsinnigste Investition Deines Lebens“, dachte ich mir. „Prima – wann geht’s los?“, tönte es aus einer anderen Ecke in meinem Kopf.

How to say Goodbye. Or not.
Jake brachte mich in seinem Truck – ein Wunder, dass der noch lief – zum Flughafen. „Fuck. I did’t say goodbye to the Yukon.“ fiel es mir ein. Jake guckte mich an. „Well. I will tell you something. When the white people first came here, and met the natives here, and they tried to talk with each other – and even today it is the same… well… they act and behave differently. What do the white guys say about the natives? „They don’t tell anything. They even don’t say Hello or Goodbye, just come and sit or stand up and go.“ And the white people are wondering afterwards: „Did we do something wrong? What is wrong with us or them? Why dont‘ they say anything?“ And, the other way round. What do the natives think or say about the newcomers? „The white guys are always talking. Always about themselves, always the similar things which are always obviuos to everybody. If somebody stands up and leaves – everybody sees that the one guy is leaving. Why talking about that?“ Mir drehte sich der Kopf. „Jake… what are you trying to tell me?“ – „Well, Bernd. It is just,… if you are leaving without saying Goodbye… you act like somebody from here – everything ist fine?“ Ich musste etwas schlucken, umarmte Jake und stieg aus dem Auto.

Jake (links) und ein Freund

Jake (links) und ein Freund

Kaltag
„This is Andy, your pilot to Fairbanks“ stellte man mich offenbar meinem Piloten nach Fairbanks persönlich vor. „We are a little bit late and firstly, I have to fly to Kaltag. You can join me if you like. You look somewhat bored. Afterwards I will bring you to Fairbanks.“ Lange überlegt habe ich nicht…
Das Wetter war beschissen. „Wie jetzt? In das Ding soll ich einsteigen? Das wackelt ja jetzt schon!“ dachte ich mir. „Come on, what are you waiting for? You’re only gettin‘ wet!“ sprach’s aus des Piloten Mund und zog mich hinterher. Der Flug war tatsächlich relativ harmlos, wir flogen die meiste Zeit antlang des Yukon. „Gut, dass ich jetzt nicht auf dem Wasser bin. Heilige Scheiße, was für ein bekacktes Wetter da unten. Wellen und Wind, Wind und Wellen… und das geht schon seit vier Tagen so.“ (Anm.: es war aktuell der 17.07.) Es war trotz allem Atemberaubend. Ich spekulierte darauf, ob ich Denis nicht irgendwo dort unten schwimmen sah, aber ich fand ihn natürlich nicht. In Kaltag stiegen ein paar Leute zu und die Rückbänke – bis dahin voll beladen mit Waren für den örtlichen Laden – wurden geräumt. Wir landeten nur kurz in Galena und flogen direkt weiter nach Fairbanks. Dort war Ende mit den feinen Buschfliegern. Erst ab Anchorage ging es mit diesen Maschinen wieder weiter, am nächsten Tag bis nach St. Marys und dann – endlich – nach Emmonak.

The streets of Emmonak
Das Wetter war auch heute fürn Eimer. Wenigstens regnete es nicht, als ich aus dem Flieger ausstieg und völlig verloren auf einer Schotterpiste stand. Die paar Begleiter, die ich hatte, verdünnisierten sich alle schnell oder wurden abgeholt… keiner hatte Platz, mich bis zum „Ort“ mitzunehmen. War auch nicht so schlimm, ist ja nicht weit, dachte ich… wars auch nicht. Ich versteckte meinen wasserdichten Packsack in einem unbeobachteten Moment in einem Busch am Yukon. Jetzt fing es auch an zu regnen. „Zaunpfahl oder was soll das jetzt?“ dachte ich mir. Gegenüber war eine relativ große Insel, große Wellen waren sogar auf dem schmalen Kanal hier. Aber im Gegensatz zu den Dörfern weiter oben am Fluß fuhren die Fischer fleißig raus, denen war der Wellengang offenbar egal. Das Wetter muss hier wohl häufiger so sein, reimte ich mir daraus zusammen. Ich hatte keine Unterkunft und es regnete… flugs beim Postamt nachgefragt (Emmonak hat ca. 800 Einwohner – es gibt ein Postamt), von dort zur „Verwaltung“, dort könne Schlüssel für ein Zimmer im Hotel bekommen. „Was, ein Hotel? Hier???“ Ja. Aber das war natürlich voll. Aber ich soll mal nach einem Jack in der Fischfabrik fragen. Der wäre sehr nett. Also wieder raus. Die Fabrik war natürlich quasi am Ende des Flughafens, das hätte ich auch einfacher haben können, war ja klar. An der Fischfabrik wurde ich erst nur sehr misstrauisch aufgenommen – viele Teenager beäugten mich, als sei ich ein Außerirdischer. War ich ja auch fast. Der Jack empfing mich jedenfalls herzlich und dann waren auch die anderen entspannt. Er gab mir ein Zimmer in einer Unterkunft für externe Gäste. Genauer ein Aufenthalts-/Durchgangs-/Wäschezimmer, in dem eine Couch stand. „Ist this ok for you?“ – „Yes!“ . „Listen, dinner is at 6 and tomorrow breakfast at 8. You are welcome to join us!“ – „Jack, what do I have to pay for this?“ – „Oh. No. You are a guest. You are invited. You mad paddling guys – feel free. By the way, where is your boat?“ Mööööp. Da hatte aber einer die Hupe gefunden. „Well, I stopped in Galena, didn’t feel that going on is a good idea. So I cheated a little and took a flight. To say so, … call it scouting for the next time. I have no boat with me.“ eierte ich hervor. „Ahaha. I knew!“ prustete er hervor und schlug mir kräftig auf den Rücken. „You are wise acting like that, don’t feel ashamed. But I will show you something.“ Jack führte mich zu einem Boot, einem grünen Kanu, dass ich aus den Augenwinkeln schon vorher gesehen hatte. „See this one. You want it? A Father and son gave it to me, they have been here two weeks ago.“ Ich schaute mir das Boot an. Es hatte innen eine Widmung, einen Text. „This boat took Peter and Imre Kabai 1933 Miles down the Yukon River in 34 days. She is a safe and fast vessel.“ Mir fiel die Kinnlade nach unten. Imre Kabai… Ja. Der ist Dir doch 2014 shon einmal begegnet, in Fort Selkirk. Damals aber im Kajak. Und Bryan Brown (siehe Eintrag Trottelbuchten, Hobbithöhlen und wer ist hier eigentlich der Boss?) erzählte mir später, das er nach einem nicht so schönen Erlebnis mit einem Bewohner von Grayling damals nicht mehr weiterkonnte (sein Sohn sei damals schon früher ausgestiegen). Und jetzt das hier … die komplette Strecke in 34 Tagen… Jack merkte irgendetwas. „I know this guy. I met him 2014.“, sagte ich. – „And?“ wollte Jack wissen. „Keep trying…“ murmelte ich in meinen Bart. Dann ließ Jack mich allein.
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