Im Kanu auf dem Yukon

Von den Quellseen bis zur Beringsee

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Winter is coming

So, nun war es also so weit. Der Denali NP wartete im Anschluss an die Road Trips auf mich. Und er hatte ja nach dem Kampf um Passierschein A38 ein voller Erfolg zu werden. (Übrigens: wer nach einer höflichen Umschreibung für die Weiterverweiserei der Ranger sucht, findet in „der Kenntnisstand der Ranger ist ausgesprochen unterschiedlich“ sicherlich den passenden Euphemismus… (hab ich aus einem Reisebericht))

Wieder in Fairbanks angekommen, sortierte ich erst mal mein Hab und Gut streng durch – schließlich brauchte ich ja nicht mehr alles und der ganze Plunder fing langsam an, mir auf die Nerven zu gehen. Einen Teil der Ausrüstung bekam Sam als Dankeschön für den Truck. Auch Jason bekam einen Teil, denn die letzte Nacht in Fairbanks konnte ich bei ihm übernachten. Nur eine Möglichkeit, zu einer passenden Stelle zum Trampen am Stadtausgang / George-Parks-Highway zu gelangen, fehlte noch. Aber auch das erledigte sich von selbst: Jon, ein Freund von Jason brachte mich dort hin. Noch schnell ein Schild gemalt und schon… fing es an zu regnen. Ich hatte Glück: es hörte schnell wieder auf und Keith, ein Ex-Soldat, nahm mich mit und setzte mich am Wilderness Access Center (WAC) im Denali Park ab. Und natürlich war er einmal in Deutschland stationiert, wie fast alle älteren Ex-Soldaten hier. (ganz nebenbei: allen hat es in Deutschland gefallen.)

Keith

Keith

Allerdings musste ich noch eine Unterkunft für die Nacht finden, denn auch hier hatte ich die Vorausplanungen mal testweise eingestellt. Aber der Campground am Parkeingang hatte noch ein Plätzchen frei.

Das erste Ziel war der Igloo Creek Campground. „Campground“ steht hier aber nur für „Plumpsklo, bärensichere Container und Tischbänke“. Nachdem ich bei strahlendem Sonnenschein das Zelt aufgebaut und einen Happen eingeworfen hatte, machte ich mich sofort daran die Gegend querfeldein zu erkunden. Unglaublich schöne Ausblicke boten sich mir – und das Wetter sollte angeblich noch bis übermorgen so weitergehen. Am Berghang gegenüber machte ich eine kleine Gruppe Dallschaf-Böcke aus, die es sich in der Sonne gut gehen ließen. In die andere Richtung konnte ich sogar zwei ausgewachsene Freizeit-Kielings vor die Linse kriegen. Vorsichtig beäugten wir uns, ich knipste vorsichtshalber ein paar Fotos und dann ging jeder seiner Wege.

Freizeit-Kielings in Aktion

Freizeit-Kielings in Aktion

„Man hat hier nur eine 25%-ige Chance, den Denali (früher Mt. McKinley) zu sehen. Und die beste Aussicht hat man vom Eielson Visitor Center“ Höre ich es jetzt noch in den Ohren klingeln. Oh man. Da muss ich dann bei dem angesagten Wetter morgen wohl hin… Also tags darauf in den erstbesten grünen Bus (jaja, mit den Bussen kannte ich mich jetzt aus). Bei den Zwischenstops zwischendurch boten sich spektakuläre Anblicke, aber das Wetter hatte sich doch etwas zugezogen, so dass der Berg sich – wie das am Häufigsten so sein soll – hinter Wolken versteckte. Wenigstens konnte man einen Bären beim Beerenfressen beobachten. Ich ging noch ein paar Meter auf dem „Alpine Trail“ und eine Bärenbegegnung später hieß es auch schon wieder „ab nach Haus“.

Ein Blick aus dem Zelt am nächsten Morgen genügte – das Wetter wurde schlecht. Nach Frühstück und einer kleineren Wanderung einen Berg hinauf (ich hoffte, die Dallschafe vom Tag davor zu sehen) fing es an zu regnen. Nein. Es fing an zu hageln. Was soll denn das??? Gott sei dank hatte ich das Tarp mitgenommen und schon einmal aufgebaut (Titelfoto!). Ich verkroch mich im Zelt und hielt ein Nickerchen. Ich nutzte eine kurze Regenpause für das Abendessen und verkroch mich wieder im Zelt – gut, dass ich den Ebook-Reader mitgenommen hatte. Irgendwann wurde der Hagel zu Regen, aber das war alles, was an diesem Tag noch passierte. Ich blieb im Zelt. Dann halb 5 morgens: Stille. „Es hat aufgehört zu Regnen“ freute ich mich, wunderte mich über die Kälte und schlief wieder ein.
Ein paar Wassertropfen fielen auf meine Stirn und weckten mich. Nein, das Zelt war dicht. Es war Kondenswasser. Kondenswasser im Innenzelt??? Kondenswasser gehört zu den Sachen, die ich am meisten hasse auf den Touren draussen. Man kann sich auf den Kopf stellen und das Zelt ist trotzdem nass. „Aber Kondenswasser habe ich doch nur, wenn es draussen kalt und/oder nass ist und es hat doch schon vor Stunden aufgehört zu regnen. Und wieso ist es draussen so still? Und hier drin so sch*kalt???“ …
Ich riss die Reissverschlüsse des Zeltes auf. Etwas Kaltes fiel mir ins Gesicht.

Schnee – Winter is coming.

Am 1.9. der erste Schnee. Von wegen „aufgehört zu regnen“. Nur etwas geräuschloser… Das kann doch nicht wahr sein. Und ich wollte doch heute das Zelt abbauen und zum Wonder Lake Campground … Bähhh. Nach einem heißen Kaffee checkte ich erst einmal die Lage an der Parkstraße. Sieht nicht so aus, als ob die Busse heute so weit fahren. Und einfach das Zelt auf Verdacht abbauen… ich wartete auf den nächsten Bus und fragte erst mal nach. „Actually all buses are to stop at Teklanika. Perhaps in the afternoon…“ Sch*!!! Also warten bis morgen? Im Laufe des vormittags kam noch eine Rangerin vorbei, die anfangs auch nicht mehr wusste, mir aber kurz bevor sie ging, weitergab, dass die Busse nun doch wieder weiterführen. Also schnell das Zelt abgebaut, mir einen Ast in den Bauch gewartet, und… später das Zelt an Ort und Stelle wieder aufgebaut. War doch nix mit „die Busse fahren wieder“. „Was solls, den Rest des Tages spazierte ich ein wenig auf der schlammigen Parkstraße auf und ab, aber diesen Tag passierte nichts Spannendes mehr.

„We thought about you! There is a bear in the area.“,
rief mir der Ranger im Eielson Visitor Center quer über das Modell der Umgebung des Denali und durch die sich darum scharende Menschenmenge zu. Es war einen Tag später, die Busse fuhren wieder und wir machten auf dem Weg zum Wonder Lake eine Pause im Eielson VC. Warum nicht gleich einen Eimer Konfetti über mir auskippen? Und einen Scheinwerfer vielleicht noch? Spaß beiseite – was war vor 2 Tagen los? Auf dem Tagesausflug zum Eielson VC konnte man anfangs hangabwärts einen Bären beobachten. Als ich auf dem Rückweg vom „Alpine Trail“ war, hatte der Bär inzwischen eine kleine Runde gedreht und kam quasi direkt auf mich zu. „Mist“ war mein erster Gedanke. Der Zweite, schnell das Bärenspray aus dem Rucksack rauszuholen (es war natürlich ganz unten). Dann hatte ich doch tatsächlich noch die Muße, das Objektiv der Kamera auszutauschen. Der Wind kam aus meinem Rücken, also musste mich das Zottelding eigentlich bemerkt haben. Es schien den Bären aber nicht zu interessieren. Der Trail führte in Serpentinen hangabwärts, und gerade war eine extrem lange Strecke „nur geradeaus“ vor mir. Sie führte direkt auf den aktuellen Standort des Bären zu. Es würde nicht lange dauern, und der Bär würde auf diesen Teil des Weges treffen und vermutlich genau darauf weiterlaufen. Wenn ich auf dem Weg bleibe, laufe ich direkt auf ihn zu – keine gute Idee. Was tun? Bären sind ganz schön schnell, auch wenn sie nicht „rennen“. Ich konnte das VC schon sehen und eine kleine Menschenmenge hatte sich zur Beobachtung der Szenerie formiert.

„Also solange die da unten noch nicht anfangen zu kreischen habe ich wohl noch kein Problem!“, dachte ich mir, verließ den Trail und ging den Hang ganz ruhig direkt nach unten. Irgendwann musste ich so wieder auf den Trail treffen. Vorsichtig blickte ich immer wieder nach rechts, wollte ich doch sehen was der Bär macht – und ich sollte recht behalten: Er war keine 2 Minuten später über den Trail genau an der Stelle angelangt, wo ich den Weg verlassen hatte. Er stoppte kurz, schnüffelte auf dem Boden rum… und trottete weiter – Puh. Nun hatte ich wieder genug Nerven, holte die Kamera raus und konnte noch Bilder von „meinem“ Bären knipsen. Unten angekommen, versperrte mir ein Schild „Trail closed – bear in the area“ den Weg. Aha – vorhin stand das da noch nicht. Ein paar Schritte weiter erwartete mich ein breit grinsendes, bärtiges Rangergesicht: „How was your hike?“

"mein" Bär aus halbwegs sicherer Entfernung

„mein“ Bär aus halbwegs sicherer Entfernung

Wonder Lake
Als ich danach am Wolder Lake Camp Ground ankam, bot sich mir eine schier unglaubliche Szenerie. Ich dachte, ich träume. An einem sanften Hang waren inmitten der sich mittlerweile gelb und rot verfärbenden Zwergbirken und Blaubeerbüschen, kleine Zeltplattformen. Alles war still und friedlich. In der Ferne konnte man direkt auf den Mt.McKinley/Denali blicken, auch wenn der Gipfel hinter den Wolken blieb. Das ist das Ende, schoß es mir durch den Kopf. Schöner wirds nicht. Tränen stiegen mir in die Augen und ich stand für eine lange Zeit einfach nur so da.

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Denali bzw. früher Mt. McKinley – wie so häufig hinter den Wolken…

Plötzlich riss mich ein merkwürdiges Getröte über mir aus meiner träumerisch-sentimentalen Stimmung. Sand Cranes (Kanadakraniche) in V-Formation über mir – sie ziehen gen Süden. Wenn es nicht schon geschneit hätte – das wäre das endgültige Zeichen für den beginnenden Herbst.

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Sand Cranes

Die Wildnis hat Geburtstag
Ein wenig später wollte erkundete ich noch die Gegend, wurde aber von einem Ranger Andy Keller aufgehalten. Er warb für den allabendlichen Ranger-Talk. „Wilderness Heritage“ war das Thema des heutigen Abends. Und heute sei ja auf den Tag genau der 50ste Geburtstag der Wildnis. Wie denn die Wildnis Geburtstag haben könne, wenn doch ohne Menschen (denn das ist doch „Wildnis“?) niemand da sei um die Jahre zu zählen, fragte ich keck. Aber mir wurde schnell der metaphorische Sinn erläutert: Vor Genau 50 Jahren, am 3. September 1964 , wurden Gesetze zur Einrichtung und Erhaltung der Nationalparks in den USA verabschiedet, insbesondere wurde so der Denali-NP ins Leben gerufen. Wow, was für ein Zufall. Jedenfalls ging ich dem Ranger gern „ins Netz“, und so fand ich mich ca. eine Stunde später wie ein Schulkind auf einem Bänklein hockend und dem Ranger lausched wieder. Der Vortrag, auch wenn der Andy ihn schon die ganze Woche über schon gehalten hatte, war einfach beeindruckend. Dabei waren nicht der Inhalt, sondern der Enthusiasmus, die Authentizität und die Liebe, die der Andy „der Wildnis“ entgegenbrachte, beeindruckend und mitreißend. Zum Ende sang er für seine „7 Schüler“ (und seine Frau, die war zwischenzeitlich eingetroffen) noch ein Lied – „Forever Wild“ von Susan Grace.

Blog10_026_2_34     Link (PDF): Text – Forever Wild

Sonnenstrahlen drangen durch das Zelt und weckten mich. Ahh – Wärme. Der erste Blick aus dem Zelt bescherte mir einen noch besseren Ausblick als gestern. Ein unverhüllter Denali erhob sich in der Ferne. Außerdem war der meiste Schnee verschwunden. Eine bessere Kulisse fürs Frühstücken kann ich mir nicht vorstellen. Schnell die GoPro aufgestellt für Zeitrafferaufnahmen. Ich wollte ja schließlich auch „meine“ Bilder vom vermutlich am häufigsten fotografierten Berg der Welt haben.

Denali

Denali am morgen (ohne Wolken)

Dies würde der letzte Tag im Park werden, denn der Tag morgen würde nur aus der Abreise bestehen. Und wahrscheinlich auch der letzte Tag „draussen“. Der Herbst ist in vollem Gange, wärmer wirds nicht mehr, meine Ausrüstung wärmetechnisch an der Grenze und irgendwie… reichte es auch. Ich stromerte noch etwas am See „Wonder Lake“ herum (daher der Name…) und erwanderte den „McKinley River Trail“. Der Trail hört direkt  am Fluß auf – das war irgendwie symptomatisch. Wieder hatte ich dieses „das ist das Ende“-Gefühl, als ich vom Flußufer auf den Denali blickte und einmal mehr Rührung ob der Kulisse in mir aufstieg.

Blick auf den Denali vom Ende des McKinley River Trail

Blick auf den Denali vom Ende des McKinley River Trail

Auf dem Rückweg zum Zelt dachte ich nach. Ich wollte mich dem „das ist das Ende“-Gefühl noch nicht ganz beugen. Alaska oder besser „der Norden“ schien durch. Aber irgendwas musste ich doch noch machen können. Irgendwohin, wo es vlt. auch wärmer ist… Hawaii. Das würden viele Alaskaner machen, wurde mir schon öfter erzählt… Ich beschloss, mir erst einmal 2 Tage mit einem richtigen Bett zu gönnen, mich auszuruhen und dann von Anchorage aus diese Möglichkeit genauer unter die Lupe zu nehmen.