Dawson-Circle

In Dawson hatte ich noch Thomas wieder getroffen, den wir schon in Fort Selkirk kennengelernt hatten. Thomas hat das gleiche Ziel wie ich. Wir hatten überlegt, gemeinsam durch die Yukon Flats zu fahren. Die Yukon Flats sind eine ca. 400 km langer Abschnitt des Yukons, in dem sich der Fluß in unzählige Seitenarme und Sackgassen aufspaltet, Sand- und Kiesinseln liegen versteckt unter dem Wasser – die Navigation ist einfach schwierig.
Man kann sich schnell verirren, so dass wir uns denken, dass es zu zweit besser ist. Er ist allerdings schon am Mittwoch in seinem Kajak aus Dawson los und wir wollten sehen, dass wir uns in Circle treffen. Er allein im 2er Kajak, dass er allein fährt mit 2 Tagen Vorsprung…?

Wie auch immer, am Freitag schaffe ich, auch um die ich-vermisse-Birgit-Gedanken zu vertreiben, satte 80 km und übernachte am 40-Mile Camp. Auch eine ehemalige Hochburg wie Fort Selkirk, die jetzt verlassen ist. Der Campingplatz für Paddler ist aber 2,5 km entfernt, an der Einmündung der 40 Mile Rivers und so kann ich erst nach dem dritten Anlanden das Lager aufschlagen. Ich falle todmüde auf meine Isomatte. Der nächste Tag bringt sengenden Sonenschein und weitere 80km – ich erreiche Eagle und checke per Telefon in die USA ein (s. früherer Blog-Eintrag), gönne mir eine Nacht im BnB um Akkus aufzuladen und zu duschen, Blog-Einträge zu schreiben.
Auch der Tag nach Eagle bringt 80 km, ich möchte mein Camp an einer „Public Use Cabin“ aufschlagen (das sind von den Rangern des Yukon-Charley-River-Nationalpark unterhaltene Schutzhütten), sie ist allerdings komplett mit Mücken verseucht, auch in der Umgebung findet sich kein ordentlicher Zeltplatz; ich paddle auf die gegenüber liegende Insel und schlage dort mein Zelt auf. Es ist zwar schon 23.30 Uhr, aber ich fühle mich unglaublich frei. Wow, das ist Paddeln.

Aufgebockt
Kurz vor dieser Public Use Cabin möchte ich mein Schuhwerk von Teva-Sandalen auf Gummistiefel wechseln uns fange an, im Boot rumzuhampeln. Wie immer, wenn man das das sicher geglaubte Ziel aus den Augen verliert, weil „es ja jetzt von alleine geht“, passiert mir ein schwerer, aber glücklicherweise folgenloser Fehler: Ich übersehe einen im Wasser liegenden Baumstamm, dessen Äste aus dem Wasser ragen. Ich erkenne noch, dass ich zuwenig Augenmerk aufs Wasser gelegt habe und entscheide mich in der aufkommenden Hektik für die falsche Seite, schaffe es nicht mehr, drumherum zu fahren.
Es knirscht umd rumpelt und schon sitze ich quer zur Strömung aug einem Ast fest. 7 Meter vom Ufer weg und kann mich nicht mehr bewegen. Schön blöd. Ich befestige wieder alle Survival-Utensilien an der Schwimmweste, teste die Wassertiefe mit dem Paddel. Zur Not könnte ich raushüpfen und das Boot ziehen, kann aber nicht einschätzen, wie die Strömung sich auswirkt. Die hat mich schließlich auf den Baum geschoben…
Ich versuche, mit dem Paddel das Boot am Stamm entlang zu schieben. Noch vorn: nichts passiert. nach hinten – klappt. Ich kann mich lösen und komme so am Landeplatz der Cabin an. Schön blöd, aber nichts passiert.

Nachtfahrt
Der zweite komplette Tag in Alaska verläuft allerdings nicht ganz so gut – ich werde nach bereits 30km nach einer Kurve (heute war ansatzweise Rückenwind) vom plötzlichen Windwechsel überrascht. Der Wind baut sich auf und große Wellen entstehen, ich komme nur im Schneckentempo voran. Ich versuche meine Wartetaktik, esse etwas, aber nach 1 1/2 Stunden tut sich noch nix. Es dräut sogar ein Gewitter. Ich setze das Boot wieder ein und hoffe, ein besseres Plätzchen zum Warten zu finden.
Im Schneckentempo krieche ich den Fluß runter, nach ca. 1 Stunde und gefühlten 200 Metern erreiche ich eine geschützte Bucht. Ich baue das Zelt auf und esse noch etwas, lege mich hin und schlafe, hoffe auf die Nacht. Schließlich flaut der Wind ab. Ich beschließe, tatsächlich einmal durch die Nacht zu fahren – zwar habe ich den Eindruck, dass mich eine Nebelbank konstant verfolgt, teilweise denke ich sogar, dass es ein Gewitter ist, was mein Paddeln beschleunigt. Ich entdecke einen Schwarzbär am Ufer, aber das Licht ist doch zu schwach für ein Foto (und der Schwarzbär will einfach nicht stillhalten). Um 5 Uhr morgens komme ich völlig erschöpft nach weiteren 50 km am Slavens Roadhouse an, auch eine Public Use Cabin, allerdings in ganz großem Stil: Mehrere Pritschen, Küche, usw. Im Hinterland liegt die Coal Creek Dredge, ein sehr gut erhaltener Goldbagger. Um 6 Uhr morgens liege ich endlich im Schlafsack.

Nach dem Aufwachen mache ich erst einmal etwas Pause, esse und sehe mich um. Die Sonne brennt. Als ich mal zufällig auf den Fluß runterschaue, entdecke ich ein Kajak – ist das Thomas? Habe ich ihn tatsächlich überholt??? Ja er ist es. Thomas legt an und wir paddeln schon ab hier gemeinsam. Heute allerdings nicht mehr, sondern sehen uns nur noch die Dredge an.

Alaskanische Gelassenheit
In Slavens Roadhouse übernachtet auch Jason aus Fairbanks mit seinem Vater, 2 Söhnen und einem Freund. Er hat die Tour schon mehrmals gemacht, „liebt die Flats“ und rät uns, sich nicht so große Sorgen zu machen. Er ist die Flats auch ohne Karte schon gefahren, „alles kein Problem“. Folgt einfach der Hauptströmung! Das nenne ich mal entspannt. Und wir machen uns solche Sorgen…

Wir wollen nicht über Nacht in Circle bleiben und schlagen das Camp daher kurz vorher auf. Ein Elch läuft hier fast in uns hinein. Als er – und wir – es erkennen, macht er schnell kehrt und verschwindet wieder im Unterholz. So ein Mist, keine Zeit für Fotos. In Circle angekomen, versuche ich , die Blog Einträge zu schreiben und verzettele mich dabei. Keine Blog-Einträge – blöd. Ein paar Telefonate, eine Dusche sowie eine Ladung Wäsche später geht es auch schon weiter in die von uns so gefürchteten Flats hinein.

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